Cagliari – Die rauschende Feier im Rosa Trikot war für André Greipel schnell wieder zu Ende: Der «Gorilla» mit der Startnummer 100 hatte die zweite Etappe des 100. Giro d’Italia gewonnen und am Samstag zum ersten Mal in seinem Leben das Spitzenreiter-Trikot einer großen Landesrundfahrt getragen.
Am Sonntag wechselte das Trikot auf die Schultern des kolumbianischen Etappensiegers Fernado Gaviria, der jetzt neun Sekunden vor dem Zweiten Greipel liegt.
Der 34 Jahre alte Radprofi, der seinen Erfolg in Tortoli seiner schwerkranken Mutter gewidmet hatte, verpasste 24 Stunden später in der sardischen Hauptstadt Cagliari seinen zweiten diesjährigen Etappensieg mit Pech. Nach 148 Kilometern blieb dem bulligen Topsprinter aus Rostock, der in der vorentscheidenden Rennphase zehn Kilometer vor dem Ziel bei heftigen Windböen aus den Pedalen gerutscht war und dann allein im Wind stand, nur Rang zehn mit 13 Sekunden Rückstand auf Gaviria.
Der 22 Jahre alte Kolumbianer, der den Berliner Bora-hansgrohe-Fahrer Rüdiger Selig auf den zweiten Platz des Tagesklassements verwies, bleibt mindestens bis Dienstag im Maglia Rosa. Am Montag steht beim Jubiläums-Giro bereits der erste Ruhetag an, dann folgt die erste Bergankunft mit einer 18 Kilomter langen Schlusssteigung auf den Ätna auf Sizilien.
«Der Gorilla fliegt ins Rosa Trikot», hatte die «Gazzetta dello Sport» am Sonntag geschrieben. «Für mein Team und besonders für mich war das sehr speziell», hatte Greipel nach dem Coup von Tortoli erklärt.
«Es gibt nur wenig Chancen in der Karriere, als Sprinter ein Leader-Trikot einer großen Länderrundfahrt zu holen. Man spürt hier in Italien eine regelrechte Euphorie, besonders wegen des 100. Jubiläums. Sie sind in den Radsport verliebt – das ist eine unglaubliche Atmosphäre», hatte der Mann in rosa am Samstag geschwärmt.
Nach der erfolgreichen Mission «Siebter Etappensieg» hatte der Rostocker seine Teamkollegen im roten Lotto-Soudal-Dress geherzt. «André ist ein sympathischer Mensch und anerkannter Kapitän. Alle im Team schauen zu ihm auf und machen, was er sagt», lobte ihn sein Team-Manager Marc Sergeant.
In einem dreiteiligen Video, womit er auch der öffentlichen Wahrnehmung seiner Person auf die Sprünge helfen will, charakterisierte sich Greipel als Mann mit zwei Gesichtern: impulsiv bei der Arbeit auf dem Rad, ganz brav und lieb als Familienvater zu Hause.
Der dreimalige deutsche Straßenmeister, der manchmal auf den ersten Blick ein bisschen spröde und einsilbig wirkt – zumal im Vergleich zu «Sonnyboy» Marcel Kittel -, ist die Verlässlichkeit in Person. Zusammengerechnet gewann der in Hürth lebende Rostocker bisher beim Giro (7), der Tour de France (11) und Vuelta (4) 22 Etappen.
Den nächsten großen Coup plant er bei der am 1. Juli in Düsseldorf startenden Tour. Dafür wird er den Giro – der längeren Erholungszeit wegen – wohl spätestens zu Beginn der letzten, harten Woche in den Dolomiten verlassen.
Greipel hatte am Samstag als 23. deutscher Radprofi das Maglia Rosa geholt, das zuletzt im vergangenen Jahr Kittel getragen hatte.
Fotocredits: Dario Belingheri
(dpa)