Pyeongchang – Seinen Platz in den Sportgeschichtsbüchern hat Marco Sturm mit 39 Jahren sicher. Ein ganz Großer des deutschen Sports war der Dingolfinger mit seinen 1006 NHL-Spielen schon vor den Winterspielen in Südkorea.
Nun wird er auf ewig mit dem Wunder von Pyeongchang genannt werden. Die sensationelle Silbermedaille, der größte Erfolg des deutschen Eishockeys, wäre ohne den deutschen Rekordspieler der nordamerikanischen Profiliga nicht möglich gewesen.
«Was die Mannschaft leistet, wie Marco Sturm die Fäden zusammenhält – das ist überragend», lobte DEB-Präsident Franz Reindl angesichts der historischen Leistung in Südkorea mit den Siegen gegen die Eishockey-Weltmächte Schweden und Kanada. Reindls Aussage, «das wird der Marco Sturm schon machen» wurde bei Olympia zum geflügelten Wort. Daran änderte auch die knapp verpasste Final-Sensation gegen die Olympischen Athleten aus Russland (OAR) nichts mehr.
Als Reindl den als Trainer völlig unerfahrenen, als Spieler aber überragenden Sturm 2015 im Alter von gerade einmal 36 Jahren zum Nachfolger des glücklosen Pat Cortina machte, staunten selbst gestandene Nationalspieler. «Das kam schon überraschend», gestand der frühere NHL-Star Christian Ehrhoff. Reindl benannte Sturm nicht nur zum Bundestrainer, sondern auch zum Generalmanager. Nach seinen 1006 NHL-Spielen für San Jose, Boston, Washington, Los Angeles, Vancouver und Florida wurde Sturm das Gesicht des deutschen Eishockeys.
Nun, knapp drei Jahre später, staunt keiner mehr über Reindls Entscheidung. Der Vertrag ist inzwischen bis 2022 verlängert, die Spieler überschlagen sich mit Lob. «Er kann alle Spieler motivieren und begeistern. Man merkt seinen Ehrgeiz. Genau so etwas brauchen wir», sagte etwa der erfahrene Stürmer Patrick Reimer. «Er hat ein gutes System installiert, hat einen guten Staff, die Mischung stimmt einfach», sagte Ehrhoff.
Inzwischen ist klar: Reindls Schachzug war genial. Fast alles, was Sturm anfasst, funktioniert. Dazu kommt der ehemalige Stürmer in der Öffentlichkeit bestens an, ist stets gut gelaunt, geduldig und trotz seiner in den NHL verdienten Millionen immer bescheiden. Sturm gewinnt Sympathien für das noch nicht vor allzu langer Zeit arg ramponierte DEB-Image. Die Qualifikation für Sotschi 2014 hatte das DEB-Team unter Cortina verspielt, Weltmeisterschaften wurden von der Öffentlichkeit kaum wahrgenommen. Sturm änderte dies nachhaltig, auch dank seines konsequenten Wegs mit NHL-Profis.
Schon bei den WM-Turnieren 2016 und 2017 führte er Deutschland unter die Top Acht. Die Steigerung nun bei Olympia gelang Sturm völlig ohne Unterstützung aus Nordamerika. Die NHL hatte sich erstmals seit 1994 geweigert, die Saison zu unterbrechen. Sturm haderte selbst etwas mit dem Kader, den er ausschließlich aus der von ihm auch kritisierten Deutschen Eishockey Liga (DEL) rekrutierte.
Einige Spieler im Aufgebot hatten in der Liga bislang nicht die beste Saison. Dennoch nahm Sturm Routiniers mit, die das System kennen und auf die er sich verlassen kann. Der Teamgeist gilt als überragend. «Wir sind eine große Familie», sagte Sturm. Goalie Danny aus den Birken meinte: «Bei uns gibt es keine Heros. Wir alle sind der Hero. Der Teamgeist ist manchmal mehr wert als individuelles Talent.»
Reindl gab ehrlich zu, dass er diesen Erfolg nicht für möglich gehalten hat. «Ich habe nicht geglaubt, dass wir auf dem Niveau so mithalten können. Wir haben natürlich auch das Glück gehabt, das uns früher gefehlt hat», sagte der 63-Jährige. Dreimal nacheinander siegte Deutschland in Pyeongchang im Penaltyschießen oder der Verlängerung.
Neben dem nötigen Glück hat Sturm einen neuen Geist verankert. Die Spieler reißen sich wieder darum, für Deutschland zu spielen. Unter Cortina hatte es noch weit über 20 Absagen für die jährlich stattfindenden WM-Turniere gegeben. «Als er kam, hat er die Lust an der Nationalmmanschaft für einige zurückgebracht. Er verkörpert das deutsche Eishockey, er ist ein Riesen-Aushängeschild», sagte Ehrhoff.
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(dpa)