Moskau – Auf eine solche Gelegenheit hat der darbende und ziemlich problemzerfressene russische Fußball lange gewartet. «Ronaldo auszuschalten, wird eine hervorragende Aufgabe für uns», sagte der Verbands-Vize Nikita Simonjan vor dem bislang bedeutendsten Spiel beim Confederations Cup.
Denn am Mittwoch (17.00 Uhr) heißt es in Moskau: Russland gegen Portugal, Gastgeber gegen Europameister. Es sind die Russen, die sich mit einem Sieg vorzeitig für das Halbfinale qualifizieren können. Und es sind Ronaldo und Co., die nach ihrem enttäuschenden Auftakt-Spiel gegen Mexiko (2:2) deutlich mehr unter Erfolgsdruck stehen.
Russlands Trainer Stanislaw Tschertschessow und seine Spieler können gut einschätzen, was sie bei diesem Turnier wohl nicht schaffen werden: Den Pokal zu gewinnen. Sie wissen aber genau, was sie ein Jahr vor der weitaus wichtigeren Weltmeisterschaft im eigenen Land trotzdem erreichen können: «Die Stimmung beeinflussen, die Zuschauer hinter uns bringen», wie Tschertschessow immer sagt. Das Spiel gegen Portugal und Ronaldo bietet dafür eine gute Chance.
«Es wird sehr schwierig, aber wir haben einen großen Vorteil: Wir spielen zu Hause. Für uns ist es das wichtigste und anspruchsvollste Spiel der Gruppe. Da werden uns die Fans unterstützen», sagte Torwart Guilherme Alvim Marinato von Lokomotive Moskau. Der 31-Jährige kann sich mit jedem der portugiesischen Spieler bestens verständigen, weil er in Brasilien geboren wurde und erst seit 2015 die russische Staatsbürgerschaft besitzt.
Guilherme kennt auch die Probleme des russischen Fußballs sehr genau. 2012 wehrte er sich in einem Video zusammen mit anderen brasilianischen und afrikanischen Spielern gegen weit verbreiteten Hooliganismus und Rassismus in den Stadien. Er weiß auch, dass immer weniger wirklich gute Spieler aus solchen Ländern, aus West- oder Südeuropa in die «Premier Liga» wechseln und darunter auch zusehends das Niveau des gesamten russischen Fußballs leidet.
Beim Spiel gegen Portugal im neuen Stadion des populärsten russischen Clubs Spartak Moskau soll das aber zumindest für einen Abend keine Rolle spielen. «Wir sind bereit», sagte Guilherme. «Es ist wichtig, dass wir mindestens einen Punkt aus diesem Spiel mitnehmen.»
Portugals Europameister wissen um die Schwere ihrer Aufgabe. «Vor deren Publikum wird das ein sehr kompliziertes Spiel», sagte Mittelfeldmann Adrien Silva von Sporting Lissabon. Der EM-Titel vor einem Jahr hat seinem Team aber auch ein großes Selbstvertrauen und eine gewisse Gelassenheit im Umgang mit solchen Situationen gegeben.
Bei der Euro 2016 spielten die Portugiesen in der Vorrunde gleich dreimal Unentschieden und erreichten nur mit Mühe die K.o.-Runde. Am Ende gewannen sie den Pokal. «Portugal tritt immer an, um zu gewinnen. Das war im ersten Spiel nicht möglich. Deshalb wissen wir auch, was wir jetzt gegen Russland zu tun haben», sagte Adrien Silva.
Nach großer Anspannung oder gar Unruhe klingt das nicht. Selbst die Dauer-Schlagzeilen über ihren Kapitän und Superstar Cristiano Ronaldo sind seine Mitspieler von anderen großen Turnieren längst gewohnt.
Am Dienstag verkündete der Präsident von Real Madrid in mehreren Interviews, dass Ronaldo bei seinem Verein bleiben werde. Eine unmissverständliche Unterstützung oder gar Solidarität in der Steueraffäre gab Florentino Perez dem Weltfußballer des Jahres jedoch nicht («In den nächsten Tagen werde ich mit ihm reden»). Ronaldo dürften die Interviews mehr verärgert als beruhigt haben. Aber selbst für ihn gilt: Erstmal heißt es Russland gegen Portugal.
Die voraussichtlichen Aufstellungen:
Russland: 1 Akinfejew – 6 Dschikija, 5 Wassin, 13 Kudriaschow – 19 Samedow, 17 Golowin, 8 Gluschakow, 21 Erokin, 18 Schirkow – 7 Poloz, 9 Smolow
Portugal: 1 Rui Patricio – 21 Cedric Soares, 6 Jose Fonte, 3 Pepe, 5 Guerreiro – 15 Andre Gomes, 14 William Carvalho, 23 Adrien Silva – 7 Cristiano Ronaldo, 9 Andre Silva, 20 Quaresma
Schiedsrichter: Rocchi (Italien)
Fotocredits: Thanassis Stavrakis
(dpa)