München – Hansi Flick ahnte, was kommt. Aber locken ließ sich der Interimscoach vor dem großen Zukunftsspiel des FC Bayern München gegen Borussia Dortmund nicht.
Der Verlauf und auch der Ausgang des nationalen Fußball-Clásicos am Samstag (18.30 Uhr/Sky) in der Allianz Arena wird die Trainerfrage beim deutschen Serienmeister noch weiter forcieren. Und darum blockte Flick am Freitag alle Reporterfragen ab.
«Das Spiel gegen Dortmund ist die Ziellinie. Da wollen wir durchgehen mit einem Sieg. Das ist das, was mich antreibt, das ist das, was die Spieler antreibt», sagte Flick. Was danach kommt, wird ausgeblendet. «Der FC Bayern wird seine Entscheidung treffen», verdeutlichte Flick.
Alles bis auf eine krachende Niederlage würde den Münchner Bossen Zeit verschaffen und den Handlungsdruck in der Länderspielpause verringern. Und eine Verlängerung der Flick-Spiele ermöglichen. Aber für das Gigantentreffen Bayern gegen Dortmund sind verlässliche Voraussagen unmöglich, wie der Clásico-Esperte Mats Hummels vor seiner Rückkehr im BVB-Trikot nach München weiß: «Unsere Duelle sind immer etwas Spezielles. Und es ist nie vorhersehbar, was passiert.»
Flick wagte immerhin die Vorhersage eines intensiven Abends: «Die Bundesliga ist Männerfußball. Es wird ein Spiel auf hohem Niveau.» Der 54-Jährige nahm damit einen Satz auf, mit dem BVB-Sportdirektor Michael Zorc die eigenen Profis nach der «Horrorbilanz» von fünf Niederlagen mit 3:22 Toren in den letzten fünf Ligaspielen in der Allianz Arena anstachelte: «Wir müssen Männerfußball spielen! Wir müssen Kerle sein!»
Beide Titelanwärter dürfen nicht verlieren, um Anschluss an Spitzenreiter Gladbach zu halten. Es sei, egal unter welchen Vorzeichen, «das Spiel der Saison», sagte Bayern-Profi Leon Goretzka. Dass die aktuelle Formkurve für Dortmund sprechen könnte, wischt Kapitän Manuel Neuer einfach beiseite: «Es ist immer ein Duell auf Augenhöhe, egal, wo wer in der Bundesliga steht, wer gerade die Nase vorn hat, wie die Lage der Liga ist. Es ist der deutsche Klassiker – und der hat seine eigenen Gesetze.»
Und mit Flick einen neuen Hauptdarsteller. Legt der 54-Jährige nach dem gelungenen 2:0-Einstand gegen Olympiakos Piräus gegen den BVB erfolgreich nach, könnte aus dem Zwei-Spiele-Coach ganz schnell ein Übergangschef bis zur Winterpause oder sogar bis zum Saisonende werden. Diese Variante würde den Münchner Bossen die Möglichkeit geben, in Ruhe an einer Lösung mit dem geschätzten Erik ten Hag zu arbeiten, der Ajax Amsterdam kurzfristig nicht verlassen will.
Am Samstag heißt das Trainerduell Flick kontra Lucien Favre. Vom Schweizer Tüftler und Zauderer wird erwartet, dass er den Lauf der jüngsten, emotionalen Erfolge des BVB aufnimmt und damit mutiger handelt als beim letzten 0:5-Untergang in München. «Wir haben keine Angst vor Bayern», versicherte Favre, dem aber die angeschlagenen Offensiv-Asse Marco Reus und Jadon Sancho fehlen könnten.
BVB-Rückkehrer Hummels weiß, was der Borussia im Frühjahr fehlte. Mumm! Schon im Kabinengang hätten sie damals «das Gefühl» gehabt, zu gewinnen, berichtete der Ex-Münchner. «Da hat der BVB nicht dagegengehalten.» Zuletzt tat das die Dortmunder Mannschaft beim Pokalsieg gegen Mönchengladbach und beim furiosen 3:2 in der Champions gegen Inter Mailand, als jeweils mit großer Moral und offensiver Wucht Rückstände in Erfolge verwandelt werden konnten. «Wir müssen auch in München mutig auftreten», sagte Julian Brandt.
Wer wagt mehr Risiko? Flicks wichtigste Sofortmaßnahmen bei den Bayern lauten Stabilität und Maloche. Künstler-Fußball mit feinen Technikern wie Philippe Coutinho und Thiago scheint auch gegen den BVB nicht angesagt. «Es hat uns sehr gut getan, dass wir uns auf die Defensive konzentriert haben», sagte Flick rückblickend auf das zähe Piräus-Spiel. Er erwähnte am Freitag extra die Laufleistungen von Joshua Kimmich (13,6 Kilometer) und Thomas Müller, der über zwölf Kilometer gerannt war. «Man ist in München jahrelang verwöhnt worden mit schönem Fußball», bemerkte Flick. Jetzt geht’s um Ergebnisse.
Flicks offensive Trumpfkarte heißt Robert Lewandowski. Der Pole hat an jedem der ersten zehn Saison-Spieltage getroffen. Und gegen seinen Ex-Club trifft er besonders gerne, zehnmal in den letzten fünf Duellen. «Lewandowski ist große Klasse. Er ist brandgefährlich im Strafraum», warnte Favre. Stoppt er Lewandowski – und auch Flick?
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(dpa)