Rio de Janeiro – Typisch Rio de Janeiro. Da haben sie erstmals die Olympischen Spiele in der Stadt, und wo tummeln sich die Einheimischen am liebsten? In der Hafengegend, wo kein einziger Olympia-Wettkampf stattfindet.
Bürgermeister Eduardo Paes kennt seine Cariocas, daher macht es im Nachhinein Sinn, warum er das Olympische Feuer nach der Entzündung im Maracanã hierhin hat bringen lassen.
Cristo, Zuckerhut? Nein, die Cariocas strömen auch werktags zu Zehntausenden zum neuen Boulevard Olimpico. Es hat ein bisschen was von Jahrmarkt. Konzertbühnen, viele Bier- und Essensstände. Das Meer glänzt in der Sonne, alte Segelschiffe liegen vor Anker. Und dann ist da ein kleiner Hügel, hier gibt es gerade wahrscheinlich die derzeit höchste Selfie-Dichte im Selfie-verrückten Brasilien. Vielleicht hätte man daraus noch eine eigene Olympia-Disziplin machen sollen.
Denn im Schatten der Igreja de Nossa Senhora da Candelária lodert seit Samstagmorgen das Olympische Feuer. Damit alle Brasilianer, auch die, die kein Geld für den Stadionbesuch haben, hier an Olympia partizipieren können. Die Flamme ist unscheinbar, klein – ein bewusstes Zeichen gegen die globale Energieverschwendung.
Die Lehrerin Cintia Oliveira (30) ist mit ihrem Vater hier, es sind gerade Ferien. Sie macht mit dem Smartphone Bilder von sich, die Flamme lodert perfekt im Hintergrund. «Es ist eine andere Stimmung in der Stadt, alle sind sehr stolz, die Welt zu Gast bei uns», sagt sie.
Was sie interessiert bei Olympia? «Gymnastik und Volleyball.» Hier sei vorher nichts als eine heruntergekommene Gegend gewesen. «Das wird bleiben». Ein Kilometer ist der Boulevard lang. Am Wasser flanieren die Menschen, viele in gelben Brasilien-Trikots, Straßenmusiker spielen, es wird getanzt. Hier wird Olympia in Rio jenseits des Sports zelebriert, eine sehr ausgelassene Stimmung.
Den Endpunkt bildet das futuristische, vom Architekten Santiago Calatrava gebaute Museu do Amanhã. Das Museum von Morgen, hier werden auch die Probleme durch die menschengemachte, globale Erderwärmung thematisiert. Die Gefahr für den Planeten war ja auch die zentrale Botschaft der Eröffnungsfeier.
Auf dem Platz davor steht ein riesiger «Cidade Olimpica»-Schriftzug, Kinder springen von Buchstabe zu Buchstabe. Dass hier in der Gegend einer der größten Sklavenmärkte der Welt war, erfährt der Besucher aber nicht. Ein paar hundert Meter entfernt sind noch Sklavenfriedhöfe, weit über eine Million Menschen sollen aus Westafrika nach Brasilien verschleppt worden sein.
Aber die Menschen, egal ob weiß oder schwarz, macht es stolz, dass mit der Judoka Rafaela Silva, geboren in der aus dem Film «City of God» bekannten Favela Cidade de Deus, eine Frau aus schwierigen Verhältnissen das erste Gold für Brasilien geholt hat. Auf dem Hügel vor dem Olympischen Feuer steht auch Andreia Paulino (28), an ihrem Ohrring baumelt der Schriftzug «100% negro», «100 Prozent schwarz».
Mit Freunden schießt sie dutzende Flammen-Selfies. Ihre Favoriten sind Frauenfußball und Handball. «Das beste ist, hier sind so viele Leute aus anderen Ländern», erzählt sie. Aber, das ist auch ein Eindruck hier, genauso wie in Copacabana. Das Feiern, die Stimmung, bewegt die Leute. Aber der Sport noch nicht so richtig. Neben der Flamme sind zwei riesige Leinwände zum Public Viewing. Da ist kaum was los. Leute liegen davor in der Sonne, unterhalten sich, sonnen sich. Die Wettkämpfe laufen hier eher im Nebenprogramm für sie.
Fotocredits: Barbara Walton
(dpa)