München – Bayern Münchens Mitarbeiter der Woche Javi Martínez schlurfte mit Sohnemann Luca an der Hand über den Arena-Rasen und ließ sich von den Fans in der Südkurve feiern.
Der Spanier sorgte trotz Muskelkater beim mühsamen 1:0 (0:0) gegen eine äußerst unangenehme Hertha aus Berlin nicht nur dafür, dass der deutsche Fußball-Serienmeister vier Tage nach dem kraftraubenden Champions-League-Kampf beim FC Liverpool auch in der Bundesliga erstmals im Jahr 2019 zu Null spielte.
Der kampfstarke Martínez krönte seine wundersame Comeback-Woche auch noch mit dem Siegtor. Von Trainer Niko Kovac erhielten er und seine Kollegen zur Belohnung prompt einen zusätzlichen freien Tag. So konnten sie am Sonntag entspannt daheim auf der Coach verfolgen, ob Borussia Dortmund im wieder völlig offenen Titelrennen gegen Bayer Leverkusen würde nachziehen können. «Das ist nicht nur ein bisschen wichtig, sondern schon sehr wichtig», sagte Kapitän Manuel Neuer zum Punktegleichstand an der Tabellenspitze am Samstagabend.
Kovac sprach von einer «Willensaufgabe», die sein Team knapp 100 Stunden nach dem physischen und mentalen Kraftakt beim 0:0 gegen den FC Liverpool im Achtelfinal-Hinspiel der Königsklasse zu erfüllen hatten. Und keiner verkörperte diese Willensleistung mehr als der 30-jährige Martínez, der binnen weniger Tage vom Abstellgleis in den Mittelpunkt zurückkehrte und als Vorarbeiter Pluspunkte sammelte.
«Ich möchte immer nur meiner Mannschaft helfen. Heute war es mit einem Tor, ein anderes Mal mit Arbeit oder Kämpfen», sagte der bescheidene Spanier. Nach einer Ecke von James Rodríguez setzte sich Martínez im Luftkampf gegen Hertha-Schlussmann Rune Jarstein («das war mein Tor») im Fünfmeterraum durch und nickte den Ball ins Netz.
Martínez sorgte für einen maximalen Bayern-Lohn in einer Partie auf überschaubarem Niveau. «Wir haben nicht brilliert», gestand Kovac nach seinem 100. Bundesligaspiel als Trainer. Die Offensivkraft der Bayern wurde zudem dadurch geschwächt, dass sich Kingsley Coman einen Muskelfaserriss im Oberschenkel zuzog. Es könnte eng werden mit der Genesung bis zum Rückspiel gegen Liverpool am 13. März.
Niklas Süle hatte sich «gewundert», dass Matchwinner Martínez gegen Hertha überhaupt auf dem Platz stand. «Jeder Muskel» habe Martínez noch beim Abschlusstraining am Freitag wehgetan, verriet Süle von den Nachwirkungen der Partie in Liverpool, als Martínez den verletzten Leon Goretzka ersetzte und im Mittelfeld seine nach wie vor außergewöhnlichen Abräumerqualitäten demonstriert hatte.
Gegen Hertha rannte, grätschte und köpfte der Spanier schon wieder wie kein anderer. «Dass er das Siegtor macht und wieder viel läuft und kämpft, zeichnet ihn aus», sagte Süle über den «ganz wichtigen» Kollegen. Plötzlich steht Martínez (Vertrag bis 30. Juni 2021) im Verein und auch beim Trainer wieder hoch im Kurs. «Javi hat diese Woche rund gemacht, nicht nur für sich, sondern auch für die Mannschaft», lobte Kovac. Und dann folgte noch ein Satz höchster Wertschätzung. «Wenn der Javi vor der Abwehr dort steht, wo ich ihn mir wünsche, ist das der Sechser, den wir brauchen», sagte Kovac.
Dank Martínez tritt die BVB-Jagd der Bayern in eine neue Phase. In München wächst der Glaube an ein Herzschlagfinale im Titelkampf. «Es wird ein ganz enges Ding dieses Jahr», sagte Süle: «Wir glauben alle noch an den Meistertitel.» Dass der Bayern-Vortrag gegen eine hartnäckige Hertha offensiv recht mau ausfiel, sahen die Chefs den Profis nach. «Es war so zu erwarten. Es war eine schwere Woche, eine anstrenge Woche», meinte Sportdirektor Hasan Salihamidzic.
Er muss gemeinsam mit Kovac den aufgestauten Frust bei einigen Teilzeitkräften im Kader bearbeiten. Thomas Müller saß anfangs wieder auf der Bank. Außenverteidiger Rafinha beklagte sich laut über sein Reservistendasein. Kovac sei «nicht korrekt» zu ihm. Salihamidzic äußerte zwar Verständnis für Unzufriedenheit. Er ermahnte aber allen voran Rafinha, «dass man es auch mal schluckt», wenn man nicht spiele und im Training hart arbeite. Javi Martínez, Bayerns Mitarbeiter der Woche, hatte den Rat zuletzt beherzigt. Die Belohnung folgt(e) nun.
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(dpa)