Rio de Janeiro – Vom Fechten hat Mathias Burban eigentlich keine Ahnung. «Völlig zufällig» ist er in Rio de Janeiro bei der Sportart gelandet, wie der französische Olympia-Tourist sagt.
Aber die Stimmung gefällt ihm: «Alle rufen, alle sind glücklich – selbst um 9 Uhr morgens nach einer Stunde im Bus. Das ist echt fantastisch.» Burbans Einschätzung dürften viele Olympia-Besucher teilen – obwohl auch immer wieder leere Ränge zu sehen sind.
Wie ist das zu erklären? Der Sprecher des Organisationskomitees, Mario Andrada, sagt über seine brasilianischen Landsleute: «Sie lernen während der Spiele, sich auch für andere Sportarten zu begeistern.» Andere, das heißt: anders als Fußball und (Beach-) Volleyball. Manche Disziplinen sind den brasilianischen Fans spürbar fremd – und sie bleiben weg. Hinzu kommen Organisationsprobleme: Allein am ersten Wettkampftag, dem 6. August, sollen bei diversen Wettkämpfen 40 000 Plätze wegen Warteschlangen leer geblieben sein, wie das Portal «Folha de S. Paulo» berichtete.
Dennoch strömen Tag für Tag Tausende in Gelb gehüllte Fans zu den Sportstätten. Die Stimmung etwa beim Beach-Volleyball ist bombastisch. «Das ist eine geile Atmosphäre», sagt Kira Walkenhorst, die mit Laura Ludwig den Gastgebern an der Copacabana die Goldmedaille wegschnappen würde.
Immerhin rund 80 Prozent der 6,1 Millionen Tickets wurden schon vor dem Start der Spiele verkauft. Die meisten Olympia-Touristen wurden aus Argentinien erwartet, gefolgt von den USA. Deutschland sah man auf Position neun. Aber auch feiernde Fans aus Angola rennen feiernd durch den Olympia-Park in Barra. Vor den olympischen Ringen vergeht kaum eine Minute ohne Selfie.
Und Andrada meint: «Die Brasilianer sind Spätkäufer.» Vor Beginn der Spiele seien 10 000 Tickets am Tag verkauft worden, mittlerweile seien es 100 000 täglich. «Wir sind glücklich, dass wir das Niveau an Ticketverkäufen erreicht haben, das wir brauchen.»
Einige Lücken sind nicht zu leugnen. Auf den Außenplätzen in den ersten Runden beim Tennis. In der tristen Messehalle Riocentro bei den Gewichthebern der Gruppen B, die keine Chancen auf Medaillen haben. In der Schwimmhalle bei den Vorläufen. «In der Qualifikation waren nicht so viele Zuschauer da, aber im Finale war die Stimmung gut», sagt auch Turner Lukas Dauser. Und wer kommt, sorgt lautstark dafür, dass alle etwas davon haben. So wie die als Krieger verkleideten Thailänder oder die fähnchenschwingenden Taiwaner.
Die Brasilianer selbst sind bisweilen sogar zu temperamentvoll. Zum Beispiel in der dramatisch beleuchteten Fecht-Arena mit den bunten Planches. Dort sehen die Zuschauer bis zu den Medaillen-Gefechten jeweils vier Duelle gleichzeitig. Ist ein Brasilianer an der Reihe, dann bebt der Boden: Die Zuschauer trampeln, klatschen und schreien ihn nach vorn. Darunter hatte auch der Deutsche Peter Joppich zu leiden, der parallel auf einer anderen Planche ausschied. «Teilweise habe ich das «Fertig, los» kaum gehört», sagte er.
OK-Sprecher Andrada versteht den Wunsch einiger Athleten nach etwas mehr Ruhe für die Konzentration. Er erklärt: «Wir müssen da lernen, unsere Leidenschaft etwas auszubalancieren, ohne die Leidenschaft abzutöten.»
Aus der Balance gerieten zur Verwirrung vieler Beobachter auch die Becken der Wasserspringer und Wasserballer. Über Nacht wurde für die Springer aus dem blauen ein grünes Nass – das Becken der Wasserballer direkt daneben blieb blau. Entgeistert fragte der britische Starter Tom Daley auf Twitter: «Ähm… was ist passiert?»
Gründe für den wundersamen Farbwechsel: eine defekte Umwälzanlage, Algen, insgesamt ein zu hoher pH-Wert, wohl eine Kombination verschiedener Faktoren dürfte diesen Hingucker verursacht haben.
Den französischen Fan Burban hat das Olympia-Fieber bei seinem Besuch in Rio jedenfalls trotz einiger Lücken auf den Rängen gepackt. Er ist sicher: «Wir werden bei anderen Olympischen Spielen wieder da sein.»
Fotocredits: Facundo Arrizabalaga
(dpa)