Rio de Janeiro – Fast noch lieber als in der Volleyballhalle hält sich Earvin Ngapeth im Tonstudio auf. Der umstrittene Star der Franzosen bastelt in seiner Freizeit an einer zweiten Karriere als Rapper.
Unter seinem Pseudonym «Klima» hat der Diagonalangreifer bereits zwei selbstproduzierte Alben herausgebracht. In Rio de Janeiro richtet der 25-Jährige seinen ganzen Fokus aber auf die Olympischen Spiele. «Eine Medaille ist unser Ziel», sagte Ngapeth.
Volleyball liegt bei ihm in der Familie. Schon sein Vater Eric, ein gebürtiger Kameruner, spielte in der 80er Jahren in der französischen Nationalmannschaft, ehe er ein erfolgreicher Trainer wurde. Earvin Ngapeth aber stellt ihn in den Schatten. Das beginnt schon bei seinem Vornamen. Denn Earvin soll an die US-amerikanische Basketball-Legende Earvin «Magic» Johnson erinnern. «Ich finde, er sieht auch aus wie ein NBA-Star», sagte einmal Nationaltrainer Laurent Tillie.
Ngapeth ist aber nicht nur Frankreichs wohl talentiertester und aufregendster Volleyballer, sondern auch hitzköpfig und umstritten. Wie ein echtes «Enfant terrible» oder ein echter «Bad Boy» aus der NBA kommt der Legionär von Modena Volley immer wieder mit dem Gesetz in Konflikt. Im November 2015 war der Vater von Söhnchen Mathys in einen Autounfall verwickelt, drei Menschen wurden dabei verletzt.
Für einen Angriff auf einen Schaffner wurde Ngapeth im April sogar zu drei Monaten auf Bewährung verurteilt. «Er hat mich zuerst provoziert und dann zugeschlagen», verteidigte sich Ngapeth, der in jüngeren Jahren wegen seines Hitzkopfs aus der Nationalmannschaft vorübergehend verbannt worden war.
Seine sportlichen Qualitäten stehen indes außerhalb jeder Kritik. Den Matchball zum EM-Sieg im vergangenen Jahr gegen Slowenien verwandelte Ngapeth zum Beispiel akrobatisch mit dem Rücken zum Netz. «Manchmal wirkte er auf mich völlig unverantwortlich auf dem Feld», erinnerte sich der Brasilianer Lucão, der Ngapeth aus Modena kennt. «Er kann einfach auch mal ein paar Tage nicht trainieren, wird aber auf dem Platz immer die richtige Antwort finden. Dieser Typ ist ein Genie, ein wirklich kompletter Volleyballer.»
Vor allem ist Ngapeth kreativ. Das zeigt sich auch an dem Beinamen, den seine Mitspieler und er für Frankreichs Nationalteam auserkoren haben. Sie nennen sich «Team Yavbou». Yavbou ist, wenn man die Silben in umgekehrter Reihenfolge liest, abgeleitet von bouillave, was ein schlüpfriger Slangausdruck ist. Man könnte es in etwa umschreiben mit: vulgär Liebe machen. Eine Lesart, die Ngapeth zumindest im Volleyball-Jargon offiziell gerne verwendet, bedeutet: jemanden richtig niedermachen.
Das wollen die Franzosen mit ihren Gegnern auch in Brasilien schaffen. Wie man Rio einnimmt, wissen die Franzosen schon ganz genau. 2015 sicherten sich Ngapeth & Co. am Zuckerhut den Titel in der Weltliga. Ihren Olympia-Auftakt verpatzten die Franzosen in Gruppe A zwar deutlich gegen Italien, mit einem 3:0 gegen Mexiko nahmen sie aber umgehend wieder Kurs Richtung Viertelfinale.
«Wir können eine richtig große Mannschaft werden», sagte Ngapeth, der weitere Ausnahmekönner wie Jenia Grebennikov oder Antonin Rouzier neben sich hat. «Diese Generation ist ungeheuer talentiert, lobte Brasiliens Nationaltrainer Bernardo Rezende. «Ngapeth kann sehr, sehr gut spielen. Er ist außergewöhnlich.»
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(dpa)