Rio de Janeiro – Die US-Volleyballer um ihren Star Matt Anderson starteten mies in die Olympischen Spiele. Dann bezwangen sie die Hochkaräter Brasilien, Frankreich und Polen. Jetzt sind sie reif für Gold.
Anderson musste an seinen Vater denken. Ausgerechnet kurz vor dem so schwierigen K.o.-Duell bei den Olympischen Spielen in Rio de Janeiro mit Weltmeister Polen wurde der Star der US-Volleyballer an seinen Dad erinnert. «Alles Gute zum Geburtstag Papi», schrieb Anderson bei Instagram und veröffentlichte ein Foto, auf dem er seinem Vater den Arm um die Schulter legt. Michael Anderson starb im Januar 2010 an einer Herzattacke. Sohn Matt konnte sich von ihm nicht verabschieden, weil er damals in Südkorea unter Vertrag stand. Nun gedachte er des Geburtstags.
Die schmerzhafte Erinnerung an seinen Dad musste Anderson gegen Polen aber verdrängen. Es gelang dem 29-Jährigen. Elf Punkte steuerte Anderson beim überzeugenden 3:0 (25:23, 25:22, 25:20) bei. Der dreimalige Olympiasieger USA, der 2012 in London nur Fünfter geworden war, will nun im Halbfinale am Freitag gegen Italien eine offene Rechnung aus der Gruppenphase begleichen und sich vom Gold-Kurs nicht mehr abbringen lassen.
Die US-Boys sind nur schwer in Tritt gekommen. Nach Niederlagen in den ersten beiden Gruppenspielen gegen Kanada (0:3) und Italien (1:3) standen sie schon unter riesigem Druck. «Wir haben einmal tief durchgeatmet und sind an die Arbeit gegangen», erläuterte Nationaltrainer John Speraw die Marschroute.
Gegen die Hochkaräter drehte sein Team dann so richtig auf. Mit Erfolgen gegen Brasilien (3:1) und Europameister Frankreich (3:1) sicherten sie sich das Weiterkommen. «Dieses Turnier ist eine emotionale Achterbahnfahrt», beschrieb Nationaltrainer Speraw die Entwicklung seines Teams in Rio de Janeiro.
Auf keinen anderen US-Spieler trifft dies abseits des Feldes so gut zu wie auf Führungsfigur Anderson. Im späten Herbst 2014 unterbrach der Diagonalangreifer von Zenit Kasan vorübergehend seine Laufbahn. «Ich fühlte mich irgendwie ausgebrannt», erzählte er über seine Depression. «Ich spürte, wie ich immer verbitterter wurde.» Seine Mutter Nancy beschrieb die Not des Familienmenschen aus Buffalo so: «Er musste Körper und Seele sich erholen lassen.»
Das tat Anderson. Nach dem Neujahrstag 2015 kehrte er wieder nach Russland zurück und fügte sich nahtlos in die Mannschaft ein. «Ich bin definitiv ein besserer Führungsspieler als damals, weil ich heute besser auf meine Nebenleute eingehen kann», sagte Anderson, der seinen Körper mit zahlreichen Tattoos verziert hat. Unter anderem mit einem Stammbaum auf seinem linken Oberarm und einem blauen Puzzleteil auf der Innenseite seines rechten Handgelenks, worunter der Name seines Neffen Tristan steht, der unter Autismus leidet. «Wenn ich aufschlage, sehen das die Menschen. Damit kann ich sie aufmerksam machen», erklärte Anderson dieses Tattoo.
Das schmerzhafte Olympia-Aus 2012 im Viertelfinale gegen den späteren Titelträger Russland hat ihn reifen lassen. Anderson gehört nun zu den Routiniers. «Es geht darum, füreinander zu spielen. Nicht allein für sich selbst, das Team oder den Trainer», dozierte er. Anderson und seine Teamkollegen haben das bisher so gut umgesetzt, dass sie vielleicht sogar erstmals seit Peking 2008 wieder Gold holen.
Fotocredits: Jorge Zapata
(dpa)