Elisabeth Pähtz ist die beste Schachspielerin Deutschlands. Die 23-Jährige, die für den SC Kreuzberg antritt, war Weltmeisterin in den Altersklassen unter 18 und 20 Jahren. Die Sportsoldatin bei der Bundeswehr schätzt Schach als Kriegsspiel ohne Gewalt.
Tag lang um die Ehre oder um Geld zocken. Ein Mädchen mit Zöpfen und geringelten Socken lässt sich zu einer Runde einladen, beginnt die Partien mit wirr anmutenden Zügen fern jeder Eröffnungstheorie, setzt jedoch wenig später all ihre Gegner matt. Ein typischer Schalk der 21-jährigen Elisabeth Pähtz, die damals, 2002, die weltweit erfolgreichste Spielerin unter 18 Jahren war. Die Dollar hat sie ihren verwunderten Gegnern überlassen. Doch bei ihrem nächsten Besuch in New York gewandete sie sich wie eine barocke Baronesse und düpierte erneut das Schachvolk.
Elisabeth Pähtz ist die beste deutsche Schachspielerin. Sie spielt für den Schachbundesligisten SC Kreuzberg, am Wochenende geht es gegen den TV Tegernsee und den SC Eppingen um wichtige Punkte im Abstiegskampf. „Ich hatte das Glück, einen Großmeister als Vater zu haben. Auch sein Talent scheine ich geerbt zu haben“, beschreibt Pähtz ihren familiär vorgezeichneten Weg zum Schach. Ihr Vater, Thomas Pähtz, der letzte DDR-Meister, bekam nach der Wende eine Arbeitsbeschaffungsmaßnahme als Schachtrainer in Erfurt: „Wenn ich mit meiner Trainingsgruppe zu Wettkämpfen fuhr, hab ich Elisabeth als Maskottchen mitgenommen“, erzählt er. Mit gerade mal fünf Jahren setzte sie sich ans Brett und zeigte ihrem Vater, was sie aufgeschnappt hatte. Fortan gehörte sie selbst zur Trainingsgruppe und offenbarte bereits als Kind ein ungewöhnlich gutes taktisches Verständnis.
Als die Erfurterin mit 14 Jahren die deutsche Frauenmeisterschaft gewann, galt sie als Wunderkind. Sie wurde in Talkshows eingeladen und plauderte mit TV-Showmaster Harald Schmidt. Pähtz wirkt bei öffentlichen Auftritten nicht verschroben wie viele andere Königsjäger, sondern präsentiert sich wortgewandt und geistreich. Und sie war weiter erfolgreich: Mit 16 Jahren wurde sie die jüngste deutsche Großmeisterin – die höchste internationale Auszeichnung im Schachsport.
„Elisabeth Pähtz spielt mutig und hat gute Ideen“, lobte Garri Kasparow nach einem Schaukampf, „aber sie hat verdammt schwache Nerven.“ Die damals 17-Jährige stand nämlich bei zwei von sechs Blitzpartien auf Gewinn, war jedoch bei der Aussicht, gegen den weltbesten Schachspieler aller Zeiten zu siegen, schlicht „verrückt geworden“. Kurz darauf hatte sie ihre Nerven besser im Griff und gewann auf Kreta die U18-WM. Indes: Die Anspannung in entscheidenden Situationen ist ihr meistens anzusehen – dann beginnen die Beine zu zittern, und sie lässt ihre rechte Hand, zum Zug bereit, über dem Brett kreisen und zieht sie wieder zurück, um die Stellung noch einmal zu analysieren.
Pähtz bewundert Michail Tal. Der Lette, der 1960 Weltmeister wurde, war berüchtigt für seine risikoreiche und furchtlose Spielweise, für einen Königsangriff schenkte er seinen Gegnern gern mal Bauern oder Figuren. In Schachkreisen zirkuliert das Bonmot, es gebe korrekte Opfer und Tal-Opfer. „Tal hat intuitiv geopfert“, sagt Pähtz, die ihren eigenen Stil auch als eher intuitiv denn mathematisch beschreibt: „Man findet die guten Züge, ohne sie zu berechnen.“ Beinahe logisch, dass Mathematik so gar nicht zu den Lieblingsfächern der jungen Großmeisterin gehörte. Sie machte am Sportgymnasium in Dresden Abitur, der einzigen Schule in Deutschland, in der Schach als eigene Sportart unterrichtet wird.
2005 gewann sie die Junioren-WM (U20), ihr bisher bedeutendster Titel. Um professionell Schach zu spielen, dient Pähtz derzeit als Sportsoldatin bei der Bundeswehr. Sie schmierte sich in der Grundausbildung Tarnfarben ins Gesicht, robbte durch den Schlamm und lernte Schießen. Die Obergefreite schätzt Schach als „Kriegsspiel ohne Gewalt, in dem absolute Gedankenfreiheit herrscht“. Bei der Nato-Meisterschaft 2006 belegte sie den vierten Platz.
Nach der Sportförderkompanie, die ihr optimale Trainingsbedingungen bietet, will Pähtz studieren, Berufswunsch Grundschullehrerin. Vom Schach allein zu leben ist kaum möglich: „Um sich seinen Lebensunterhalt mit Schach verdienen zu können, muss man nicht nur gut spielen, sondern zur absoluten Weltspitze gehören.“ Mit den allerbesten Schachspielern zu konkurrieren, hält Pähtz für schwierig: „Männer können sich besser nur auf Schach konzentrieren. Frauen sind weniger fanatisch.“