Belgrad – Ihr Trainer reichte im Finale schnell noch ’ne Cola rüber, und Europas neue Dreisprung-Königin Kristin Gierisch bedankte sich mit einer historischen Goldmedaille.
Jubelnd und lachend rannte sie nach ihrem Coup mit der Deutschland-Fahne durch die Arena und sang ihrem Übungsleiter Harry Marusch später eine Lobeshymne, die fast schon eine Liebeserklärung war. «Ich verdanke dem Mann einfach alles. Der hat meine Pubertät mit mir durchgemacht, die wahrscheinlich nicht immer ganz einfach war», sagte die 26-Jährige freudestrahlend. «Er hat mich einfach nie im Stich gelassen, er hat immer an mich geglaubt.»
Hopp, Step, Jump – und Gold! Als sie in der Belgrader Kombank Arena im zweiten Versuch bei 14,37 Metern landete, musste Kristin Gierisch noch fast eine Stunde zittern – dann war sie Hallen-Europameisterin und verewigte sich mit einem ganz speziellen Titel in den Annalen der Leichtathletik. Denn nie zuvor hatte eine deutsche Dreispringerin bei einem internationalen Großereignis den Dreisprung-Titel erobert: Weder bei Olympia noch bei WM oder EM. Nicht im Stadion und auch noch nie in der Halle.
Nach einer verkorksten Hallensaison mit wenig Training und vielen Wehwehchen wirkte dieser Titel für die Erfolgsgemeinschaft Gierisch/Murasch wie ein kleines Wunder. Und um ein Haar wäre die neue Europameisterin in Belgrad gar nicht gestartet. Verletzungen und Schmerzen plagten sie über Wochen. «Die Probleme waren so stark. Ich wollte vor vier Tagen noch sagen, ich lass das hier», gestand die Zweite der Hallen-WM und Olympia-Elfte vom LAC Erdgas Chemnitz.
Doch Marusch, der auch Europameister Max Heß trainiert, hat immer an seine Musterschülerin geglaubt. Seit 14 Jahren sind die beiden ein verschworenes Team, machten gemeinsam gute und schlechte Zeiten durch. «Das, was sie hier abgeliefert hat, trägt selbst für mich den Charakter von etwas Sensationellem. Aber Kristin ist eben eine Wettkämpferin», lobte Marusch. «Wer hat im vorigen Jahr schon daran gedacht, dass sie Vize-Weltmeisterin wird? Aber ich habe an sie geglaubt. Und wenn ich dran glaube, dann glaubt sie auch an sich.»
Wie ein Schock war es für Kristin Gierisch und die ganze Familie, als Anfang Februar ihr Bruder plötzlich vermisst und verschwunden war. Eine traurige Geschichte – zum Glück mit gutem Ende. «Kay konnte heute Dank eines Hundesuchtruppes in einem Waldgebiet lebend gefunden werden. Er lag dort 2 Tage auf einem Hochsitz», schrieb sie Anfang Februar auf ihrer Facebook-Seite.
«Das hat sie schon extrem belastet», meinte ihr Trainer. «Das war sehr, sehr, sehr schwer, sie wieder aufzubauen. Aber Kristin ist Kristin», lobte Marusch und verriet ihre Stärken: «Sie kann sich schon ganz schön auf diesen Wettkampf fokussieren und ist schon extrem ehrgeizig. Sie ist in ihrem gesamten Leben ein kleiner Vollprofi geworden.»
Und eine große Athletin, die sich an diesem Samstagabend selbst wohl am meisten überrascht hat. «Die Hallensaison war so verkorkst. Und ich glaube, das war der einzige ordentliche Wettkampf, den ich heute abgeliefert habe», gestand Kristin Gierisch. «Wenn das zum Höhepunkt klappt, dann mache ich das gerne jedes Jahr und ärger‘ mich zwei Monate mit dem Trainer.» Wer weiß, was passiert, wenn Marusch im Sommer auch im WM-Finale von London ’ne Cola über die Bande reicht.
Fotocredits: Marko Drobnjakovic
(dpa)