Sportnews

Die Hymne und die Frage nach dem Knien beim Super Bowl

By

on

Minneapolis – Bevor am Sonntag die Punkte über den Sieger des 52. Super Bowls entscheiden, muss etwas ganz anderes geklärt werden.

Nichts soll nach dem Willen der Veranstalter die perfekt inszenierte Oberfläche des Milliardenspektakels zwischen den New England Patriots und den Philadelphia Eagles stören. Allerdings hat sich ein Thema durch die gesamte Saison gezogen, dessen scharfe Kanten auch in ihren hochpolierten Abschluss ragen könnten: knieende Spieler, die damit während der Nationalhymne gegen Polizeigewalt und soziale Ungerechtigkeit protestieren.

Politik beim Super Bowl? Oh Schreck. «Der Super Bowl ist ein Live Event. Wenn Du über ein Live Event berichtest, berichtest Du, was passiert. Wenn Spieler sich zum Knien entscheiden, wird das live gezeigt», sagt Fred Gaudelli nüchtern. Er ist Chef von NBC Sports, dem übertragenden Sender. Die Proteste bei den Spielen der NFL seien zwar zuletzt weniger geworden, aber: «Natürlich kann das jetzt wieder passieren.»

Zum ersten Mal «passiert» war es am 14. August 2016. Colin Kaepernick, damals noch erfolgreicher Quarterback der San Francisco 49ers, kniete während der Hymne. Er wollte ein Zeichen setzen gegen Ungleichheit, Rassismus, Polizeigewalt gegen Schwarze. Er trat eine richtige Welle los, viele Sportler auch außerhalb des Footballs schlossen sich an. Heute ist Kaepernick vereinslos und sieht das zu 100 Prozent in seiner konsequenten Haltung begründet.

Ihren Höhepunkt hatten die Proteste in der dritten Woche der Saison, als bis zu 200 Spieler während der Hymne das Knie beugten. Von da an nahmen die Aktionen kontinuierlich ab, die Liga versucht seither zu moderieren.

Spätestens mit US-Präsident Donald Trump wurde das Thema, das in der Liga kontrovers diskutiert wird und die Zuschauerschaft spaltet, hochpolitisch. In vielen heftigen Tweets warf er den Protestierenden mangelnden Patriotismus vor, verunglimpfte und beschimpfte die Spieler. Trump ist ein Typ, der Männer eigentlich nicht mal vor Schmerzen in die Knie gehen sehen will.

Sein Furor gipfelte in der Forderung, die Vereinsbosse sollten die Knieenden gefälligst rauswerfen. Wenn nicht, sollten die Zuschauer fernbleiben. Auch 2018 setzte der Präsident seinen Feldzug für das Stehen fort, brachte die Proteste einmal mehr in Zusammenhang mit angeblich mangelndem Respekt vor Flagge und US-Armee. Heikle Themen. Darum geht es den Athleten zwar gar nicht, aber das Thema verfängt.

Eine für den Spieltag eingereichte Werbung der Veteranenorganisation Amvets – Amerikas älteste Vereinigung dieser Art – wies die NFL zurück. Botschaft des Clips: #PleaseStand, bitte steht. Die Anzeige sei zu politisch, sagte NFL-Sprecher Brian McCarthy, und dafür sei der Super Bowl nicht der rechte Platz. «Zensur» gab Veteranensprecher Marion Polk zurück, reklamierte das Recht auf freie Meinungsäußerung.

In Umfragen unter hartgesottenen Footballfans zeigt sich knapp die Hälfte der Befragten einig mit Trump: Diese Aktionen müssten aufhören. Auf der anderen Seite sagt ein Drittel, nichts da, das passe schon so, das Spielfeld sei ein guter Platz für politischen Protest.

Der Super Bowl ist weltweit eines der Ereignisse mit den meisten Zuschauern. 2017 sahen alleine in den USA 111,3 Millionen Menschen zu, das war die viertbeste Quote. Hunderte Millionen kommen rund um den Globus dazu.

Fast jeder zweite erwachsene Amerikaner wird in der Nacht zum Montag zusehen, aber die Kurve zeigt leicht nach unten. Ein Viertel der Menschen, die sich angeblich abwenden, tut das, weil Football zu politisch geworden ist. In der gleichen Umfrage sagen weitere 20 Prozent, sie wollten wegen Trumps Äußerungen über die NFL nicht mehr zusehen. Insgesamt verzeichnete die Liga in der laufenden Saison ein Zuschauerminus von 8,7 Prozent.

Vor dem Super Bowl in Minneapolis schaltet die NFL in ihrem eigenen Sender zwei Features mit je einem Star beider Teams, die sich um soziale Gerechtigkeit und Rassismus drehen. Auch ein Werbeclip bei den großen Sendern soll untermauern, wie groß das gesellschaftliche Engagement der Liga ist. Man ist sehr um Deeskalation bemüht. Ob das am Sonntag alle Athleten vom Knien abhalten wird, wird man sehen – und was Trump dann tut, auch.

Fotocredits: Michael Dwyer
(dpa)

(dpa)

Auch interessant