Zagreb – Beim geselligen Pfeile-Werfen an der Dartsscheibe stimmten sich die deutschen Handball-Europameister auf den Beginn der EM-Mission gegen Montenegro ein.
«Für uns ist das ein bedeutendes Spiel. Wir wollen gut ins Turnier starten und Deutschland begeistern», sagte Bundestrainer Christian Prokop vor dem EM-Auftakt an diesem Samstag (17.15 Uhr/ZDF) in Zagreb. «Da wäre es kontraproduktiv, wenn wir das im ersten Spiel nicht umsetzen können. Ich hoffe, dass wir einen erfolgreichen Einstieg haben, um das zu befeuern.»
Nach tagelangem Vorgeplänkel sind die Bad Boys heiß. «Es nervt mich, durchs Hotel zu laufen und nichts tun zu können. Es wird Zeit, dass es endlich losgeht», sagte Torwart Andreas Wolff. Wie beim Dartsspiel auf dem Flur des Teamhotels «Panorama» sind gegen das Balkan-Team am Samstag Konzentration und Treffsicherheit gefragt. «Wir müssen jeden Gegner ernst nehmen, sonst fallen wir auf die Schnauze», warnte der EM-Held von 2016.
Mit einem intensiven Videostudium bereitete Prokop seine Schützlinge auf das Duell mit den Montenegrinern, die bei der EM 2016 nur Letzter wurden, vor. «Da kann eigentlich nichts schiefgehen, uns kann nichts aus der Fassung bringen», sagte Rückraumschütze Julius Kühn.
Zumal Montenegro zwei namhafte Ausfälle zu beklagen hat: Torjäger Vuko Borozan vom Champions-League-Sieger Vardar Skopje fällt nach einem Unfall ebenso aus wie Torwart Nebojsa Simić vom Bundesligisten MT Melsungen wegen einer Wadenverletzung.
Unterschätzen darf man den Gegner dennoch auf keinen Fall. Als mahnendes Beispiel dient der DHB-Auswahl die WM 2017, wo gegen Katar bereits im Achtelfinale das unerwartete Aus kam, weil sich die Mannschaft im Kopf schon mit einem möglichen Halbfinale gegen Frankreich beschäftigt hatte.
Daraus haben die Spieler ihre Lehren gezogen. «Ich hoffe, dass wir es schaffen, unseren Titel zu verteidigen», sagte Kapitän Uwe Gensheimer. «Aber wir dürfen nicht zu weit denken, sondern müssen Schritt für Schritt durch das Turnier gehen.» Ähnlich sieht es Wolff: «Es ist unglaublich wichtig, dass wir das erste Spiel gewinnen, um Selbstvertrauen in unser System zu bekommen.»
Prokop erwartet bei seiner EM-Premiere ein heißes Duell gegen ein aggressives Team, dessen Prunkstück der starke Rückraum ist und das in der Abwehr sehr offensiv und körperlich hart agiert. «Unser Gesamtpaket wird entscheidend sein. Wir wollen die gute Stimmung in der Mannschaft aufs Parkett bringen, weil wir uns nicht unnötig unter Druck setzen lassen wollen», betonte er.
Jeder Ausrutscher in der Vorrunde kann im weiteren Turnierverlauf fatale Folgen haben, weil die Punkte in die Hauptrunde mitgenommen werden. Dem Auftaktspiel kommt daher eine besondere Bedeutung zu, wird es doch zudem erste Aufschlüsse darüber bringen, wie sehr die DHB-Auswahl das System des neuen Bundestrainers bereits verinnerlicht hat und dieses unter Druck auch umsetzen kann.
Prokop selbst ist zuversichtlich: «Wir gehören zum Favoritenkreis und wollen diesen Status nicht wegwerfen. Unser Gegner ist zwar keine Laufkundschaft, aber wir sind in der Lage, zu gewinnen.» Dabei sollen auch einige Glücksbringer helfen, die der 39-Jährige von seiner Familie bekommen hat. «Das sind kleine Dinge, die man auch mal in die Hosentasche stecken kann», berichtete Prokop und fügte lachend hinzu: «Ich hatte Übergepäck und musste am Flughafen draufzahlen.»
Im Hexenkessel der Arena Zagreb wird Glück allein aber nicht reichen, um die Auftaktaufgabe erfolgreich zu lösen. «Es ist entscheidend, wie die Mannschaft meine Marschroute versteht und diese umsetzt», sagte Prokop.
Dabei werden seine Schützlinge auch gegen den Großteil der Zuschauer anspielen müssen. DHB-Vizepräsident Bob Hanning sieht dies aber nicht als Nachteil an. «Das sind die Jungs aus der Bundesliga gewohnt, diese Atmosphäre wird uns guttun», sagte er. «Das wird uns eher helfen als es uns lähmt.»
Den Spielern attestierte Hanning die nötige Fokussierung und Konzentration. «Die Mannschaft will die Vorrunde mit der maximalen Punktausbeute abschließen. Diesen Eindruck vermittelt sie auch», sagte er. Torwart Silvio Heinevetter, der beim Freizeitvergnügen an der Dartsscheibe bisher den stärksten Eindruck hinterließ, brachte die Stimmung auf den Punkt: «Es knistert. Wir wollen das Ding gegen Montenegro durchziehen.»
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(dpa)