Zagreb – Punkt behalten, Abwehrchef dazu gewonnen: Nach dem abgewiesenen Einspruch der wütenden Slowenen und der Nachnominierung von Europameister Finn Lemke schalteten die deutschen Handballer in den Angriffsmodus.
«Wir müssen eine Schippe drauf legen», forderte Bundestrainer Christian Prokop vor dem nächsten heißen EM-Duell mit Mazedonien. «Es wird ganz entscheidend sein, dass wir mit Feuer und Herz spielen.»
Gegen den Tabellenführer der Gruppe C (4:0 Punkte) muss der Titelverteidiger (3:1) an diesem Mittwoch (18.15 Uhr) im letzten Vorrundenspiel alles auf Sieg setzen, um bei der Europameisterschaft im Medaillenrennen zu bleiben. Dabei soll der zunächst nicht berücksichtigte Abwehrboss Lemke helfen.
In der Nacht nach dem irren 25:25 gegen Slowenien revidierte Prokop seine vor der EM viel diskutierte Nominierung und holte den 2,10 Meter großen Hünen für Neuling Bastian Roscheck ins Team zurück. «Ich möchte dem Team mehr Körperlichkeit und Sicherheit in der Abwehr geben», begründete Prokop seinen Sinneswandel.
«Der Wechsel ist die völlig richtige Entscheidung. Das ist genau das, was wir vom Bundestrainer erwarten können: Fernab jeglicher Eitelkeiten das zu tun, was für die Mannschaft richtig ist», kommentierte DHB-Vizepräsident Bob Hanning die Personalrochade.
Als die Europäische Handball-Föderation den slowenischen Protest gegen die Wertung des dramatischen Spiels abwies, saß Lemke bereits im Flieger von Fuerteventura über Wien nach Zagreb. Dort traf der Abwehrstratege, der sich auf der spanischen Ferieninsel mit seinem Verein MT Melsungen auf die Bundesliga vorbereitete, am Abend im Teamhotel «Panorama» ein. «Ich freue mich darauf, kurz Hallo zu sagen, und dann geht es ins Bett», sagte der von der langen Anreise geschlauchte Lemke.
Auf den Anruf des Bundestrainers hatte er euphorisch reagiert. «Ich habe mit Finn gesprochen. Er ist heiß und freut sich total», berichtete Hanning. Das überrascht nicht, ebenso wenig wie das EHF-Urteil. «Für mich ist die Entscheidung folgerichtig, da diese regelkonform war und ist. Wir sind froh, dass wir nun Klarheit haben, hätten es aber auch auf ein Wiederholungsspiel ankommen lassen», sagte Hanning.
Kurz vor Schluss der Partie hatten gleich drei Slowenen Paul Drux nach dem 24:25 an der Ausführung des Anwurfs gehindert. Dies ahndeten die litauischen Schiedsrichter nach minutenlanger Auswertung der Videobilder entsprechend der 2016 eingeführten 30-Sekunden-Regel mit einem Siebenmeter, den Tobias Reichmann eiskalt zum Ausgleich gegen den WM-Dritten verwandelte.
«Ich habe danach ungefähr 100 SMS bekommen, auch aus Slowenien», berichtete Reichmann. Danach richtete er den Blick wieder nach vorn, auch schon Richtung Hauptrunde: «Jetzt gibt es nur noch Endspiele. Mazedonien wird noch mal ein anderes Kaliber. Wir müssen in der Abwehr härter zupacken und vorne cleverer spielen.»
Auch Prokop sieht erneut Schwerstarbeit auf seine Schützlinge zukommen. Denn Mazedonien spielt – ähnlich wie Slowenien – mit ganz viel Herzblut. «Das ist Handball mit viel Leidenschaft, Einsatz und Kämpferherz», sagte Prokop und fügte hinzu: «Eigentlich sind das auch unsere Tugenden. Die müssen wir bei einer EM aber auch von Beginn an zeigen. Wir müssen es schaffen, mit noch mehr Biss in die Zweikämpfe zu gehen, um im Gruppenendspiel erfolgreich zu sein.»
Diese Attribute hatte die DHB-Auswahl beim glücklichen Remis gegen Slowenien über weite Strecken vermissen lassen. «Wir haben es nicht auf die Platte gebracht. Die Bad Boys waren auf der anderen Seite», kritisierte Hanning den unerklärlich schwachen Auftritt in der ersten Halbzeit. «Wir müssen ganz schnell lernen, denn ich möchte nicht noch einmal so etwas wie bei WM in Frankreich erleben.»
Dort war der Europameister im Vorjahr im Achtelfinale überraschend an Katar gescheitert. Kapitän Uwe Gensheimer stellte daher vor dem Gruppenfinale fest: «Wir haben zu lange nicht auf unserem Niveau gespielt. Ich hoffe, wir haben unser schlechtes Turnierspiel damit weg.»
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(dpa)