Olympia

DFB-Team holt Silber: «Besser verlieren kann man nicht»

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Rio de Janeiro – Der Neymar-Schock saß tief. Doch auf der Bühne im deutschen Haus von Rio de Janeiro sahen sich die geschlauchten Olympia-Kicker dann auch als echte Gewinner und versprühten sogar Sekt.

«Wir haben zwar Silber gekriegt, aber es fühlt sich an wie Gold», sagte Kulttrainer Horst Hrubesch auf der Medaillen-Party in der Nacht zum Sonntag. Nur Brasiliens Star Neymar hatte der mit vielen Bedenken zusammengestellten DFB-Auswahl den ersten Olympiasieg in der Geschichte verdorben – und seine eigene Nation von einem Trauma befreit.

«Er ist ein überragender Fußballer, ein cooler Hund, so wie er den Elfmeter schießt und den Freistoß reinmacht», sagte Max Meyer über den Matchwinner. Die euphorischen brasilianischen Fans pfiffen und grölten ununterbrochen in einer Höllenlautstärke. Aber zerlegen konnten Neymar und seine Mitspieler die junge und engagierte deutsche Mannschaft nicht, stellte Hrubesch fest. Der Schalker Meyer hatte mit dem Ausgleich nach der Pause den Hexenkessel Maracanã kurzzeitig abgekühlt. «Mit ein bisschen Glück gewinnen wir vielleicht», meinte der Dortmunder Weltmeister Matthias Ginter.

Dreimal Latte und der Fehlversuch des Freiburgers Nils Petersen im Elfmeterschießen verhalfen schließlich den Brasilianern zu ihrem ersten Olympiasieg überhaupt – und zu ein wenig Genugtuung nach dem deprimierenden 1:7 der Seleção bei der WM 2014. Für den DFB allerdings war das unglückliche 4:5 im Elfmeterschießen (1:1, 0:1) keine Korrektur: «Wir sind immer noch Weltmeister», verkündete Präsident Reinhard Grindel in den Katakomben des Fußball-Tempels.

Hrubesch lobte seine Mannschaft, die vor dem Turnierstart von vielen als Notelf abgestempelt worden war, über alle Maße. «Ich kann nur in den höchsten Tönen schwärmen. Auch wenn wir von von 0 auf 100 durchgestartet sind, haben alle viel gelernt. Ich hoffe, dass die Spieler das in den Vereinen übernehmen. Sie wissen jetzt, wie eine Mannschaft funktioniert», sagte er nach seinem letzten Spiel als Auswahltrainer. «Besser verlieren kann man eigentlich nicht», formulierte es der Leverkusener Julian Brandt.

Wie gut sich das Team nach den gemeinsamen Wochen versteht, demonstrierten die Spieler nach etwas verhaltenem Beginn bei der Feier mit anderen deutschen Olympioniken. Bestens gelaunt tanzten und plauderten die Fußballer bis in die frühen Morgenstunden.

Auch Hrubesch war engagiert am Feiern – für ihn war es zugleich die Abschiedsfete – mit 65 Jahren ist Schluss. «Ich mache das Geschäft seit meinem 18. Lebensjahr» – deshalb sieht er jetzt den «richtigen Zeitpunkt», keine Mannschaft mehr zu trainieren. «Das sollen Jüngere machen», sagte der Europameister von 1980 und WM-Zweite von 1982.

Wie es weitergeht, ist offen. Seine jungen Spieler hat Hrubesch noch einmal schwer beeindruckt. «Ein sehr spezieller, geiler Mensch, den man selten trifft im Fußball. Er hat das gelebt», erklärte Brandt.

Zum Abschied gab das einstige HSV-Idol Hrubesch dem hochgezüchteten Bundesliga-Zirkus noch eine kleine Spitze mit. Erst in endlosen Verhandlungen mit den Clubs, die Olympia meist nur als störendes Nebenprodukt sehen, hatte er überhaupt mit der Arbeit beginnen können. Und das U-23-Team mit den drei älteren Verstärkungen Lars und Sven Bender sowie Petersen holte tatsächlich das überhaupt erste Olympia-Silber für den DFB, das sogar ein bisschen golden schimmert.

«Für mich war wichtig, dass Fußball gewonnen hat», sagte Hrubesch und betonte: «Es macht einfach Sinn für uns, zu Olympia zu gehen und dort mitzuspielen.» Er und Sportdirektor Hansi Flick sehen Clubs und DFB gleichermaßen als Profiteure eines starken Olympia-Teams. «Man hat gesehen, wie Spieler, die sonst nicht so im Fokus waren, in den Fokus kommen. Das hat ihnen viel gebracht. Das wird sie besser machen», sagte Flick.

Auch wenn «Oldie» Petersen (28) persönlich «schwer enttäuscht» war, lobte er die Talente: «Ich bin mir sicher, dass da einige Nationalmannschaft spielen werden.» Bundestrainer Joachim Löw betonte dann auch gleich bei seinen Glückwünschen für das Silber-Team, «dass der ein oder andere Spieler das Potenzial für die A-Mannschaft hat».

Fotocredits: Soeren Stache
(dpa)

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