Rio de Janeiro (dpa) – Ein Desaster wie in London wollen die deutschen Schwimmer nicht noch einmal erleben.
Nachdem die Beckenschwimmer bei den Olympischen Spielen 2012 eine historische Nullnummer hingelegt hatten, durfte Thomas Lurz mit Silber im Freiwasser als einziger deutscher Schwimmer an einer Siegerehrung teilnehmen.
Man sichte vielleicht mehr Karpfen als Delfine Richtung Weltspitze, hatte Leistungssportdirektor Lutz Buschkow in der britischen Metropole gesagt. Und nun? Schwerfällige Karpfen? Schnelle Delfine? Was spricht für und was gegen die deutschen Beckenschwimmer beim Ringespektakel in Rio de Janeiro? «Ich finde, dass deutsche Schwimmen ist auf einem sehr guten Weg», sagt Weltrekordler Paul Biedermann.
DAS MACHT HOFFNUNG:
LEISTUNGSTRÄGER: Mit gleich drei aussichtsreichen Medaillenkandidaten gehen die Beckenschwimmer ihre Wettkämpfe an. Weltrekordler Paul Biedermann, Weltmeister Marco Koch und Europameisterin Franziska Hentke zählen zum (erweiterten) Favoritenkreis. «Es ist nicht mehr alles so fokussiert auf eine Person», sagt Britta Steffen, Doppel-Olympiasiegerin von 2008. Der Druck verteilt sich auf mehrere Schultern. Und Koch reist als Weltmeister an, so etwas gab es vor London nicht.
NACHWUCHSKRÄFTE: Medaillen werden von jungen Schwimmern wie Johannes Hintze, Damian Wierling & Co. nicht erwartet, aber für einen positiven Gesamteindruck können sie allemal sorgen. «Das Team ist ein guter Mix aus alt-etablierten Aktiven und frischen Gesichtern. Ich freue mich sehr, dass schon jetzt einige junge Athleten, mit denen wir ursprünglich erst für Tokio 2020 gerechnet haben, den Sprung zu den Olympischen Spielen geschafft haben», erklärt Chefbundestrainer Henning Lambertz. Für gute Finalauftritte könnten Alexandra Wenk, Jacob Heidtmann oder Florian Vogel sorgen.
AKRIBIE: Der Deutsche Schwimm-Verband hat sich die Vorbereitung einiges kosten lassen, bis ins Detail wurde an Feinheiten getüftelt. «Wir haben meines Wissens nach mehr getan als jede andere Nation auf der Welt. Das gibt uns ein gutes Gefühl», sagt Lambertz. «Wir haben viele gute Dinge auf den Weg gebracht.» Eine eigene Etage mit abgeklebten Fenstern soll das nötige Ausschlafen für die ungewohnten Wettkampfzeiten garantieren, spezielle Tageslichtlampen die Sportler auch nach dem frühen Sonnenuntergang des südamerikanischen Winters noch lange munter halten. Sehr lange bereitete sich das Team auch in Brasilien vor. Sollte es dennoch schlecht laufen: An der Vorbereitung werde es nicht liegen, sagt Biedermann.
ES BLEIBT TROTZDEM SCHWER:
KONKURRENZ: Die deutschen Schwimmer sorgten bei EM 2014 und WM 2015 wieder für mehr Freude, doch auch diese Leistungssteigerungen garantieren keine Topplatzierungen. Die internationale Konkurrenz ist noch stärker geworden, darüber sind sich auch die DSV-Sportler im klaren. «Ich will alles versuchen, was möglich ist, und möchte mir nach dem Rennen in Rio nichts vorwerfen müssen. Dann werde ich auch zufrieden sein, wenn es keine Medaille wird», sagt selbst Koch. Auch eine Zeit, die besser ist als der aktuelle Weltrekord über 200 Meter Brust, könnte nicht zu Gold reichen. Zu stark ist die Konkurrenz. Und in der Spitze ist das deutsche Team nicht üppig besetzt.
BRITTA STEFFEN: Die Doppel-Olympiasiegerin von 2008 ist nicht mehr dabei. Steffen war immer für Top-Resultate gut, wenngleich sie das Debakel 2012 als Vierte auch nicht verhindern konnte. «Es kann genauso ausgehen wie in London, aber ich hoffe auf mehr Finalteilnahmen», sagt Daumendrückerin Steffen und ist optimistisch. «Jede Finalteilnahme bedeutet die Chance auf eine Medaille.» Sie hoffe, dass möglichst viele die Chancen nutzen können. «Irgendwo müssen wir auch mal Glück haben.»
THOMAS LURZ: Nach dem Rücktritt kann der Rekordweltmeister im Freiwasser eine mögliche Nullnummer diesmal nicht verhindern. Die beiden deutschen Starter im Freiwasser seien für Platzierungen im Bereich zwischen sechs und elf gut, sagte Lurz. Allerdings sei bei Olympischen Spielen auch immer mal mehr möglich. Gut schätzt der Würzburger die Chancen im Becken ein. Biedermann, Koch und Hentke «können realistisch dabei sein», sagt Lurz.
Fotocredits: Michael Kappeler