Berlin – Gibt es ein Wintermärchen wie 2007 oder den dritten sportlichen Alptraum in Serie? Zwölf Jahre nach dem WM-Triumph im eigenen Land wollen die deutschen Handballer bei der Heim-WM wieder Sportgeschichte schreiben und Werbung für ihre Sportart machen.
«Wir wollen begeistern und eine Mannschaft zum Anfassen sein, die ihre Sportart sympathisch vertritt und mit sportlichem Erfolg überzeugt», formulierte DHB-Vizepräsident Bob Hanning das WM-Ziel.
Vom Titel spricht nach den Enttäuschungen bei der WM 2017 und EM 2018, wo jeweils nur Rang neun heraussprang, öffentlich zwar niemand. Doch die Marschroute für das Team von Bundestrainer Christian Prokop ist klar: Erst das Halbfinale in Hamburg erreichen und dann mit breiter Brust um eine Medaille kämpfen. «Wir wollen alles dafür tun, die Begeisterung auf die Ränge und wieder zurück zu kriegen, damit wir sportlich dann die richtige Welle treffen», sagte Prokop.
Erstmals in der 81-jährigen WM-Geschichte wird die Endrunde vom 10. bis 27. Januar in zwei Ländern ausgetragen – neben Deutschland ist Dänemark Co-Gastgeber und auch Ausrichter des Endspiels in Herning. Bei den Partien in den vier deutschen Spielorten Berlin, München (jeweils Vorrunde), Köln (Hauptrunde) und Hamburg (Halbfinals) erwartet der Deutsche Handballbund insgesamt mehr als 350.000 Fans. «Wir werden die Zuschauer total brauchen, sie müssen uns den Rücken stärken. Dann bin ich der festen Überzeugung, dass wir viel erreichen können und es möglich ist, eine starke Vor- und Hauptrunde zu absolvieren», sagte Prokop.
Dank des langfristigen TV-Vertrages mit ARD/ZDF – die öffentlich-rechtlichen Sender haben sich die Rechte an allen Großturnieren bis 2025 gesichert – bietet die WM dem deutschen Handball eine willkommene Bühne vor einem Millionenpublikum. «Das gibt uns und auch den Sponsoren eine gigantische Planungssicherheit und damit auch die Chance, die Sportart noch populärer zu machen als sie es ohnehin schon ist», stellte DHB-Präsident Andreas Michelmann fest.
Denn der Verband plant – auch mit Blick auf die Heim-EM 2024 – langfristig. Das «Wahnsinnsevent», wie Prokop die WM nennt, soll der gesamten Sportart einen Schub verleihen. «Wir hoffen auf eine ähnlich erfolgreiche Geschichte wie 2007. Im Unterschied zu damals haben wir die Instrumente, die handballbegeisterten Kinder abzuholen», betonte Michelmann.
Mit Emotionalität und Kampfgeist will die Prokop-Truppe die Massen begeistern und für einen ähnlichen Hype sorgen wie vor zwölf Jahren, als beim Endspiel gegen Polen mehr als 16 Millionen Menschen vor den Fernsehgeräten mitfieberten.
Nach dem WM-Auftaktspiel gegen eine gesamtkoreanische Auswahl am 10. Januar in Berlin, zu dem sich auch Politprominenz wie Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier angesagt hat, sind Brasilien (12. Januar), Russland (14. Januar), Titelverteidiger Frankreich (15. Januar) und Serbien (17. Januar) die weiteren Rivalen in der Vorrundengruppe A.
Um die Hauptrunde in Köln zu erreichen, muss die DHB-Auswahl mindestens Dritter werden. «Davon gehen wir alle aus», sagte Prokop. Im Kampf um das Halbfinalticket gehören dann mit großer Sicherheit Europameister Spanien und der WM-Vierte Kroatien zu den Gegnern.
Mindestens zwei Topteams müssen die deutschen Handballer hinter sich lassen, um die Medaillenchance zu wahren. Bange machen gilt trotz der schweren Brocken, die sich auf dem angestrebten Weg nach Hamburg vor der DHB-Auswahl auftürmen, jedoch nicht. «Wenn du Gastgeber bist, willst du solange dabei sein wie möglich», sagte Michelmann.
Dem ordnen die Spieler seit Monaten alles unter. Denn das Turnier vor heimischer Kulisse ist für jeden etwas Besonderes. «Eine Heim-WM ist der Traum von jedem Sportler, und wir können so viel für die Entwicklung des Handballs in Deutschland machen», sagte Torwart Andreas Wolff. Doch der Held des EM-Triumphes von 2016 weiß: «Die Begeisterung kommt nicht von alleine. Wir müssen erst liefern, dann schwappt diese Welle hoffentlich über.»
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(dpa)