Rio de Janeiro – Schmunzelnd spielt Sophie Scheder an ihrem Kettchen mit den olympischen Ringen. Nein, ein Rio-Maskottchen sei das nicht.
«Das haben mir meine Eltern vor Jugendspielen 2011 geschenkt, und seitdem wollte ich unbedingt zu Olympia», sagte die Chemnitzerin, die nun plötzlich zu den Medaillenhoffnungen im Turn-Team gehört.
«Olympische Spiele sind ein Traum, und ein Olympia-Finale ist der Traum vom Traum», formulierte sie. Gleich dreimal hat es die gebürtige Wolfsburgerin geschafft: Nach dem gelungenen Team-Finale greift die 19-Jährige nun auch im Mehrkampf und am Stufenbarren noch einmal an.
Nach dem erneut starken Auftritt der verjüngten Riege in der Olympic Arena ließen sich die fünf Mädels für ihren kaum erwarteten sechsten Platz noch am Abend im Deutschen Haus von Barra feiern und wurden vom DOSB zum «Hero de Janeiro» des Tages gekürt – noch vor Vielseitigkeitsreiter Michael Jung, der Olympiasieger geworden war.
«So richtig wird erst gefeiert, wenn alles vorbei ist», kündigte Elisabeth Seitz an, die noch die gleichen Finals wie Scheder vor sich hat. «Wir müssen ausgeschlafen sein, damit wir am Donnerstag nicht wie ein Schluck Wasser in der Kurve hängen», unterstreicht sie.
Auffällig oft erwähnen alle in den Tagen von Rio, wie «cool» dieses Team sei, wie man sich stets gegenseitig motiviert. Das war bei der WM in Glasgow nicht so. Eifersüchteleien prägten das Bild. Cheftrainerin Ulla Koch glaubt, dass da noch jede ihr eigenes Ding machte: «Alle wollten möglichst eine WM-Medaille und sich das Ticket nach Rio sichern.» Das war der Teamleistung abträglich, der neunte Platz eine glatte Enttäuschung. Das gehört nun der Vergangenheit an, nie war ein deutsches Team seit der Wiedervereinigung besser.
Früher hätten die Heimtrainer der Auswahlturnerinnen zu oft nur persönliche Interessen verfolgt. «Wenn sich die Erwachsenen nicht verstehen, kann das Team keinen Erfolg haben», sagt Koch. Sie hat mit ihren Mädels intensiv am Teamgedanken gearbeitet. Schminkkurse und Konzertbesuche – zuletzt bei Rihanna – gehören zum Alltag. Und auch die Kreation des Finalanzuges war eine teambildende Maßnahme.
Beim Zusammensein im Deutschen Haus war das neue «Wir-Gefühl» unentwegt zu spüren. Sie verloren sich nicht aus den Augen, gingen gemeinsam auf die Bühne, so, wie sie am Nachmittag noch das Podium gestürmt hatten. Die Eltern von Sophie Scheder freut das. «Sophie ist ein sozial denkender Mensch. Sie hat vor Teamwettkämpfen immer die ganze Last auf sich gespürt. Im Einzel konnte sie bisher immer unbeschwerter auftrumpfen», sagte Vater Harald, der seine Tochter mit Frau Andrea bei fast allen bedeutenden Ereignissen begleitet.
Scheder, die schon 2013 und 2015 im WM-Finale am Barren stand, tut der Beistand gut. «Eigentlich bin ich es gewohnt. Aber diesmal wäre ich traurig gewesen, wenn sie nicht gekommen wären», gibt sie zu. Auch Seitz wird in Rio von ihrer Mutter und zwei Brüdern angefeuert.
Wie stark Teamgedanke und Freude am Turnen verwurzelt sind, macht Ulla Koch auch an einem anderen Fakt fest. «Seit ein paar Jahren will einfach keine mehr aufhören.» Selbst die Älteste, Kim Bui, hat noch keinen Gedanken an ein Karriereende verschwendet. Im Deutschen Haus wird sie von Pauline Schäfer kess mit «Mama» angeredet. «Bloß gut, dass sie nicht Oma gesagt hat», konterte Kim Bui.
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(dpa)