Sinsheim – Das war kein Fortschritt. Debütant Nico Schulz bescherte der deutschen Fußball-Nationalmannschaft mit seinem Glückstor zum 2:1 (1:1) gegen Peru in Sinsheim zwar den ersten Sieg nach dem WM-Debakel.
Aber eine miserable Chancenverwertung und schwere defensive Mängel trübten drei Tage nach dem ermutigenden 0:0 gegen Weltmeister Frankreich die Woche des Neustarts nach dem WM-Debakel. So war das 167. Länderspiel von Löw, mit dem er den Rekord von Sepp Herberger laut DFB-Statistik einstellte, kein überzeugender Auftritt.
Beim teilweise wilden Testspiel vor 25.494 Zuschauern in der ausverkauften Rhein-Neckar-Arena glich Julian Brandt in der 25. Minute die Führung der agilen Südamerikaner durch Luis Advíncula (22.) aus. Schulz traf sechs Minuten vor Schluss, als Perus Torhüter Pedro Gallese patzte. Im Oktober geht es für das DFB-Team in der Nations League mit den schweren Auswärtsspielen in Amsterdam gegen die Niederlande sowie in Paris gegen Frankreich weiter.
«Ich bin froh, dass wir das Spiel gewonnen haben. Man hat gespürt, dass die Mannschaft den Sieg wollte. Das Tor war ein wenig glücklich. Auf der anderen Seite haben wir in der ersten Halbzeit viele Chancen liegen gelassen», sagte Löw, der aber auch einräumte, dass in der zweiten Halbzeit «Manches nicht gestimmt hat». Torschütze Brandt ergänzte: «Wir haben grundsätzlich ein gutes Spiel gemacht, hatten viele Chancen. Jeder Sieg, den wir uns erarbeiten, tut uns gut.»
Nach dem kompakten Auftritt gegen Weltmeister Frankreich hatte Löw «mehr Mut» und «spielerische Elemente» gegen den Weltranglisten-20. aus Südamerika gefordert. Und die DFB-Auswahl hielt sich zunächst an die Vorgaben des Bundestrainers, agierte deutlich offensiver und kam in einem unterhaltsamen Spiel durch hohes Pressing zu schnellen Ballgewinnen. Dabei war das Bemühen erkennbar, schneller zum Torabschluss zu kommen. Allerdings erwies sich die Chancenverwertung einmal mehr als großes Manko, insbesondere Marco Reus ließ bei seinem 45-minütigen Auftritt einige gute Tormöglichkeiten ungenutzt.
Auf fünf Positionen hatte Löw sein Team verändert, das aus dem Frankreich-Spiel bewährte System mit drei zentralen Mittelfeldspielern blieb aber. Joshua Kimmich agierte wieder auf der Sechs, davor kurbelten Toni Kroos und Ilkay Gündogan das Spiel an. Kroos, der erstmals die Mannschaft als Kapitän auf das Feld führte, zeigte sich zunächst sehr engagiert. Und auch Gündogan – für Leon Goretzka in die Startelf gerückt – wirkte nach dem Ende der Diskussionen um die Erdogan-Fotos wie befreit und zeigte zumindest im ersten Durchgang eines seiner besseren Spiele im DFB-Dress.
Gündogan war es auch, der nach 110 Sekunden die erste Großchance von Reus einleitete, allerdings war der starke Gäste-Keeper auf dem Posten. Ähnlich glücklos agierte Reus bei zwei weiteren guten Gelegenheiten im ersten Durchgang (20. und 21.). Mehr hätte auch bei einem Kopfball von Matthias Ginter (13.) herausspringen müssen, ebenso wie bei den Chancen von Timo Werner (35.) und Gündogan (38.).
Effizienter waren da die Peruaner, die ihre einzige Chance im ersten Durchgang eiskalt ausnutzten. Dabei machte Debütant Schulz bei seinem Heimspiel in Sinsheim keine gute Figur. Erst verlor der Hoffenheimer den Ball, dann verteidigte er gegen Advincula schlecht, der schließlich auch noch Marc-André ter Stegen mit dem Schuss ins kurze Toreck düpierte. Der Barcelona-Keeper durfte anstelle von Manuel Neuer zwischen die Pfosten.
Der viermalige Weltmeister zeigte aber schnell eine Reaktion. Mit etwas Glück gelangte der Ball über Kroos zum Leverkusener Brandt, der mit einem feinen Lupfer zum Ausgleich traf. Für den Offensivspieler war es das zweite Tor im 20. Länderspiel. Vorausgegangen war aber wieder ein schneller Ballgewinn durch Ginter in der gegnerischen Hälfte.
Dass es ein schmaler Grat ist zwischen defensiver Stabilität und offensiver Spielinterpretation, zeigte sich zu Beginn der zweiten Halbzeit, als es im deutschen Team einen Rückfall in die fehlerhaften Muster von der WM in Russland gab. Teilweise konfus agierte die DFB-Hintermannschaft, als Peru durch Raul Ruidiaz (48.), Pedro Aguino (53.) und dem Ex-Schalker Jefferson Farfan (58.) zu drei guten Gelegenheiten kam. Auf der Gegenseite ließ Werner eine Hundertprozentige liegen (55.).
Mit zunehmender Spieldauer wirkte das deutsche Spiel fahriger, ohne Linie und ohne Struktur. Auch die vielen Wechsel hemmten den Spielfluss. Löw nutzte das volle Wechselkontingent und gab Antonio Rüdiger, Julian Draxler, Nils Petersen, Thilo Kehrer, Thomas Müller und Kai Havertz Einsatzzeit. Der Neu-Pariser Kehrer, der sich gut einbrachte, und Havertz waren neben Schulz die weiteren Debütanten am Abend. Und Schulz durfte sich sogar für sein Siegtor feiern lassen, wenngleich Gallese kräftig mithalf, als ihm der Ball durch die Arme rutschte.
Fotocredits: Arne Dedert,Arne Dedert,Arne Dedert,Arne Dedert,Arne Dedert,Uli Deck
(dpa)