München/Füssen (dpa) – Das Eishockey-Nationalteam steht vor strukturellen Veränderungen. Nach dem Ende der überaus erfolgreichen Ära von Bundestrainer Marco Sturm wird sich der Deutsche Eishockey-Bund neu aufstellen, um den Aufschwung der vergangenen drei Jahre nach Möglichkeit fortzuführen.
Mit dem 40 Jahre alten Finnen Toni Söderholm als künftigen Bundestrainer hofft der DEB auf eine Art «Nagelsmann-Effekt» auch im Eishockey. Der noch recht unerfahrene Coach des Oberligisten SC Riessersee soll nach Informationen von «Eishockey News» und «Bild» Sturm-Nachfolger werden.
Zudem soll Sportdirektor Stefan Schaidnagel nach dpa-Informationen in seiner Position deutlich gestärkt werden und Olympia-Silbergewinner Christian Ehrhoff als Repräsentant des Nationalteams für die Öffentlichkeit einsteigen. «Die Gespräche laufen», bestätigte DEB-Präsident Franz Reindl der Deutschen Presse-Agentur Verhandlungen bei der wichtigsten Personalie: Die des Bundestrainers und damit des Nachfolgers von Sturm (40), der inzwischen als Co-Trainer der Los Angeles Kings seine Karriere als NHL-Coach starten will.
Dabei läuft es auf eine Überraschung hinaus. Söderholm beendete erst 2016 beim EHC Red Bull München seine Karriere, genießt in der Branche aber einen guten Ruf. In der vergangenen Saison wurde der Finne zum Trainer des Jahres in der DEL 2 gekürt. Aufgrund finanzieller Probleme musste der Traditionsclub in die Drittklassigkeit. Im Sommer sollen auch Erstligisten an Söderholm interessiert gewesen sein, der gut deutsch spricht. «Die Qualität ist entscheidend», sagte Reindl lediglich. Der DEB scheint damit den mutigen Plan zu verfolgen, den Fußball-Bundesligisten wie Hoffenheim mit Julian Nagelsmann (31) oder Bremen mit Florian Kohfeldt (36) mit zuvor unbekannten, aber talentierten Trainern vormachten.
Nun wird neben dem Bundestrainer ein bekanntes Gesicht benötigt, um die Öffentlichkeit weiter anzusprechen und die Nordamerika-Profis vom Weg des neuen Bundestrainers zu überzeugen. Jemand wie Sturm, der als deutscher NHL-Rekordspieler Respekt ausstrahlt und gleichermaßen erfolgreich war, ist nicht verfügbar. Die nahe liegendste Variante mit Ex-DEB-Kapitän Harold Kreis (59) scheiterte am Veto seines Clubs Düsseldorfer EG. Und gegen den früheren Bundestrainer Uwe Krupp (Sparta Prag) gab es zu viele Vorbehalte.
Nicht nur der einstige NHL-Star und einst bestbezahlteste Verteidiger der Welt Ehrhoff war aufgrund der schwierigen Suche zuletzt besorgt. «Nach dem Ausscheiden von Marco Sturm steht wieder ein kleines Fragezeichen hinter dem deutschen Eishockey», sagte der 36-Jährige, der nach dem Gewinn der olympischen Silbermedaille im Februar seine Karriere beendet und danach dem DEB seine Hilfe angeboten hatte. «Ich werde auf keinen Fall Trainer werden, das habe ich Franz Reindl schon gesagt – aber ich habe ihm auch gesagt, dass ich mir durchaus vorstellen kann, etwas für den Verband zu tun», sagte Ehrhoff.
«Das freut mich sehr», sagte Reindl, der Ehrhoff gut gebrauchen kann. Konkrete Gespräche gibt es solange der neue Bundestrainer noch nicht unterschrieben hat, noch nicht. Der Einstieg des deutschen Fahnenträgers bei der Olympia-Abschlussfeier in Pyeongchang gilt aber als Formsache. Aufgrund seiner Karriere, seines Ansehens auch in der Öffentlichkeit und seiner Kontakte nach Nordamerika scheint Ehrhoff bestens geeignet, Sturms Rolle als «Gesicht» des deutschen Eishockeys zu übernehmen. Ob als Generalmanager, wie Sturm dies neben seinem Amt als Bundestrainer war, oder unter anderer Bezeichnung, ist noch unklar.
Wahrscheinlich ist, dass das Generalmanager-Amt auf Sportdirektor Schaidnagel und Ehrhoff übergeht. Starker Mann im sportlichen Bereich wird Schaidnagel (37), der intensiv mit in die Bundestrainer-Suche eingebunden war und das künftige Konzept erstellt hat. «Er spielt sportlich eine wichtige Rolle, künftig noch mehr», bestätigte Reindl.
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