Paris – Direkt hinter dem Zielstrich auf den Champs Élysées wartete Söhnchen Kellan als erster Gratulant, dann lauschte Chris Froome andächtig den Klängen von «God save the Queen».
Die britische Nationalhymne wird in Paris zum Dauerbrenner, zum vierten Mal wurde sie schon zu Ehren von Froome gespielt. «Das ist ein magischer Moment und die Belohnung für drei Wochen harte Arbeit. Jeder meiner Siege war einzigartig, aber dieser wird als knappster in Erinnerung bleiben», sagte Froome und zeigte sich in Feierlaune: «Jetzt ist die Zeit für eine Party.»
Die Erleichterung war groß beim Briten, als er nach dem Sekunden-Krimi der 104. Tour de France über 3450 Kilometer zum vierten Mal das Gelbe Trikot auf dem Pariser Prachtboulevard in Empfang nahm. Schon auf dem Weg Richtung Hauptstadt hatte sich der Sky-Kapitän auf der Tour d’Honneur ein Gläschen Champagner Rosé gegönnt, von seinen Teamkollegen gab es eine Bierdusche.
André Greipel hatte dagegen nach dem Prestigesprint in Paris keinen Grund zu Feiern. Haarscharf war der 35-Jährige am Sieg-Hattrick nach seinen Erfolgen 2015 und 2016 vorbeigefahren. So blieb es aus deutscher Sicht bei den fünf Etappensiegen von «Le Kaiser» Marcel Kittel und den Erinnerungen an einen stimmungsvollen Auftakt in Düsseldorf.
Greipel musste sich auf der 103 Kilometer langen Schlussetappe nur dem Niederländer Dylan Groenewegen geschlagen geben. «Nah dran ist nicht gewonnen. Ich hätte ein Stückchen früher losfahren müssen», sagte Greipel der ARD. Damit endete für den deutschen Ex-Meister eine Serie, nachdem er seit 2011 immer mindestens einen Tagessieg geholt hatte. Drei Wochen stand er im Schatten von Supersprinter Kittel. Der Thüringer, der in den Massensprints die Konkurrenz düpiert hatte, war nach kurzem Heimaturlaub nach seinem Tour-Sturz zur Siegerfeier wieder geladen.
Ansonsten hieß es bei der Tour «Rule Britannia» – mal wieder. Nach 2013, 2015 und 2016 stand der in Nairobi geborene Froome wieder ganz oben auf dem Siegerpodest. «Es ist ein unglaubliches Gefühl, wieder im Gelben Trikot nach Paris zu fahren», sagte Froome, der trotz Nieselregens von einem Millionenpublikum am Straßenrand bejubelt wurde. Nur noch ein Erfolg fehlt ihm bis zu den Fünffach-Siegern Jacques Anquetil (Frankreich), Eddy Merckx (Belgien), Bernard Hinault (Frankreich) und Miguel Indurain (Spanien).
«Es ist eine große Ehre, im gleichen Atemzug mit den Größten der Tour-Geschichte genannt zu werden. Ich habe niemals zu träumen gewagt, Merckx, Anquetil oder Indurain so nah zu kommen», sagte Froome, der für Triumph Nummer vier schwer schuften musste. Gerade einmal 54 Sekunden betrug sein Vorsprung auf den zweitplatzierten Rigoberto Uran (Kolumbien). Auch der drittplatzierte Franzose Romain Bardet lag vor dem Zeitfahren in Marseille am vorletzten Tag nur 23 Sekunden hinter dem Briten. Doch auch ein Pfeifkonzert der französischen Fans im Stade Velodrome gegen Froome am Samstag konnte ihren Liebling Bardet nicht mehr zum ersten Toursieg der Gastgeber seit Bernard Hinault 1985 verhelfen.
Eine Art Renaissance erlebte der deutsche Radsport. Düsseldorf bereitete der Tour beim ersten Grand Départ auf deutschem Boden seit 30 Jahren einen stimmungsvollen Empfang, dazu stiegen die TV-Einschaltquoten wieder deutlich an. «Das große Highlight mit dem Start in Düsseldorf bleibt stehen. Das war grandios, einmalig», bilanzierte Zeitfahr-Weltmeister Tony Martin. Auch Tour-Debütant Nikias Arndt, einer der Gewinner dieser Rundfahrt, pflichtete bei: «Der Start bleibt in Erinnerung. Ich habe es genossen. Ich hatte zwei Tage Gänsehaut.»
Überstrahlt wurde aus deutscher Sicht alles vom umjubelten Seriensieger Kittel, ehe ein Sturz in den Alpen die wunderbare Reise abrupt stoppte. «Die Freude überwiegt. Es macht mich sehr stolz, was ich erlebt habe», sagte Kittel. Durfte er auch sein, schließlich hatte er deutsche Rekorde wie die fünf Siege von Didi Thurau (1977) oder die Bestmarke von Erik Zabel (insgesamt zwölf Siege) eingestellt oder sogar übertroffen.
Aber auch die deutschen Radrennställe trugen zur «Tour d’Allemagne» bei. Das Team Sunweb gewann vier Etappen und hatte das Grüne Trikot des punktbesten Fahrers mit dem Australier Michael Matthews sowie den Bergkönig Warren Barguil in seinen Reihen. Das Team Bora-hansgrohe erlebte ein Auf und Ab. Innerhalb von 24 Stunden bescherte Weltmeister Peter Sagan dem Team den ersten Tour-Etappensieg, ehe er wegen eines Ellbogenchecks disqualifiziert wurde. Der Zeitfahr-Erfolg von Maciej Bodnar in Marseille war schließlich ein versöhnlicher Abschluss für das Bora-Team, das in Emanuel Buchmann als 15. auch den besten deutschen Fahrer im Gesamtklassement stellte.
Es gab aber auch Enttäuschungen: So verpasste Martin den erhofften Auftaktsieg im Zeitfahren samt Gelbes Trikot, nach einem Sturz und einer Erkältung wollte es auch in Marseille nicht mit dem Etappensieg in seiner Spezialdisziplin klappen. Auch John Degenkolb jagte bei seiner fünften Tour-Teilnahme immer noch dem ersten Sieg hinterher.
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(dpa)