Bad Ragaz – Wechselpoker beendet, Transfercoup geglückt – der Stolz bei Borussia Dortmund über die Verpflichtung des WM-Stars Axel Witsel war unverkennbar. Vorbehaltlich der Abwicklung über das FIFA-Transfersystem wird der 29 Jahre alte belgische Nationalspieler in den kommenden vier Jahren das Trikot des Fußball-Bundesligisten tragen.
Er kostet 20 Millionen Euro und soll das Führungsvakuum im Mittelfeld beheben. «Axel Witsel hat große internationale Erfahrung und strahlt Ruhe aus. Er bringt eine Qualität und Erfahrung mit, die wir so in der Mannschaft nicht haben», sagte Sportdirektor Michael Zorc der Deutschen Presse-Agentur.
Nach langer Auseinandersetzung mit dem chinesischen Club Tianjin Quanjian über die Gültigkeit einer Ausstiegsklausel traf Witsel am Montag im Trainingslager der Borussia in Bad Ragaz ein. Zorc setzt große Hoffnungen in den Neuzugang: «In der Analyse der vergangenen Saison haben wir festgestellt, dass es in einigen Spielen zu einfach war, uns zu schlagen. Da hatten wir zu wenig Gegenwehr auf dem Platz. Und zu wenig Führungsfiguren, die gesagt haben, Jungs, reißt euch wieder zusammen, sonst geht das hier heute in die falsche Richtung. Das erwarte ich mir von Axel Witsel.»
Mit der Verpflichtung des WM-Dritten erfüllen sich die BVB-Bosse einen Herzenswunsch und stachen dabei andere, ebenfalls interessierte europäische Topclubs aus. Ein Kämpfer und Stratege wie Witsel wird ihrem Anforderungsprofil gerecht. Ähnliche Eigenschaften werden dem ebenfalls neu verpflichteten Bremer Thomas Delaney nachgesagt.
«Nach der WM war es mein Ziel, aus China zurück nach Europa zu wechseln», sagte Witsel. «Ich bin total happy und auch stolz, bald für den BVB spielen zu dürfen. Nach unserem ersten Gespräch musste ich nicht mehr lange überlegen, denn Borussia Dortmund ist für mich einer der besten Clubs auf dem Kontinent. Ganz ehrlich: Ich kann es gar nicht erwarten, vor 81 000 Menschen aufzulaufen.»
Doch der Witsel-Transfer gestaltete sich schwierig. Anders als die Dortmunder zweifelt sein bisheriger Arbeitgeber die Gültigkeit einer Ausstiegsklausel an, wonach der Profi den chinesischen Erstligisten bereits in diesem Sommer und damit ein Jahr vor dem offiziellen Vertragsende verlassen kann. Mit Verweis auf die in China bereits beendete Wechselfrist hatte der ehemalige BVB-Profi und derzeitige Quanjian-Cheftrainer Paulo Sousa einen Abgang von Witsel noch vor wenigen Tagen kategorisch ausgeschlossen.
Doch am Ende scheint sich die Ausdauer der Borussia bezahlt zu machen. Dem Vernehmen nach verzichtet der Neuzugang, der in seiner Zeit bei Zenit Sankt Petersburg (2012 bis 2017) und Tianjin Quanjian zu den Großverdienern gehört haben soll, auf rund die Hälfte seines bisherigen Gehalts. Offenbar war die Verlockung groß, nach dem China-Abenteuer wieder in der Nähe seiner Heimatstadt Lüttich spielen zu können.
Dass Witsel zuletzt in wenig arrivierten Ligen auflief und dabei nur bedingt gefordert wurde, konnte den BVB nicht abschrecken. «Das hat ihn nicht davon abgehalten, eine hervorragende WM zu spielen und fast hundert Spiele für die belgische Nationalmannschaft zu machen», kommentierte Zorc. Auf dem Weg zum dritten WM-Platz der Belgier bestritt Witsel sechs Partien und wurde nur im letzten Vorrundenduell mit England nicht eingesetzt, als Nationaltrainer Roberto Martinez nach dem bereits gesicherten Achtelfinaleinzug zahlreiche Stammkräfte schonte.
Mit Schlagzeilen, dass dem BVB mit der Verpflichtung von Witsel der größte Coup des diesjährigen Bundesliga-Transfersommers gelungen sei, kann Zorc wenig anfangen: «So vermessen wäre ich nicht, das zu sagen. Axel Witsel ist eine extrem gute Option. Wir haben im zentralen Mittelfeld mit ihm und Thomas Delaney zwei Profis mit besonderen, aber unterschiedlichen Eigenschaften.»
Der in der Saison 2007/08 als bester Spieler der belgischen Liga mit dem Goldenen Schuh ausgezeichnete Witsel ist nach Marius Wolf (Frankfurt), Abdou Diallo (Mainz), Eric Oelschlägel (Bremen), Marwin Hitz (FC Augsburg), Achraf Hakimi (Real Madrid) und Delaney der siebte Neuzugang der Borussia. Vor allem im Mittelfeld ist das Angebot groß. Deshalb soll der nunmehr 29 Spieler umfassende Kader bis zum Transferschluss Ende August noch verkleinert werden.
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(dpa)