Frankfurt/Main – Mit so einem engen Spitzenkampf hätte kaum einer gerechnet. Die Fußball-Bundesliga erfreut sich einer Tabellensituation, wie es sie seit der Einführung der Drei-Punkte-Regel nach acht Spieltagen noch nie gab.
Den Ersten Borussia Mönchengladbach und den Neunten Bayer Leverkusen trennen nur zwei Punkte. Das Oberhaus profitiert auch von den Schwächephasen bei Bayern München und Borussia Dortmund und ist ausgeglichen wie lange nicht mehr. «Ja, noch! Ich sehe da schon noch Möglichkeiten für Bayern München, die Bundesliga wieder langweiliger zu machen…», drohte Bayern-Präsident Uli Hoeneß am Montag.
«Die Teams in der kompletten oberen Hälfte stehen so dicht beieinander wie ein Liebespaar beim innigen Hochzeitstanz», kommentierte das Fachblatt «Kicker». Masse statt Klasse? In dieser Europapokal-Woche können die Clubs dieser Vermutung entgegentreten und sich international beweisen.
Die Klagen über die Alleingänge der Bayern, die den achten Meistertitel in Serie anpeilen und in den vergangenen Jahren nur in Borussia Dortmund einen ernsthaften Herausforderer hatten, sind erstmal verstummt. Eine Entwicklung, die auch der Deutschen Fußball Liga gefallen dürfte. DFL-Boss Christian Seifert, so kommentierte es die «Frankfurter Rundschau», «hätte es nicht spannender orchestrieren können». Von wegen Liga Langeweile.
RB Leipzig geht nach einem Vollgas-Start unter dem neuen Trainer Julian Nagelsmann gerade etwas die Luft aus – vier Pflichtspiele hintereinander ohne Sieg. Der FC Schalke 04 verpasste am Sonntagabend mit einem völlig unnötigen 0:2 bei der TSG 1899 Hoffenheim erneut den Sprung an die Tabellenspitze. Die Fans hakten das ruckzuck ab, und stimmten ihr Team direkt nach dem Abpfiff auf das Derby am Samstag gegen Borussia Dortmund ein: «Scheiß BVB! Scheiß BVB», hallte es durch das Sinsheimer Stadion.
«Wir wollen mit den Top-Mannschaften in der Liga mithalten. Wenn wir weiter so Fußball spielen, kommen die Punkte von alleine», meinte Mittelfeldspieler Alessandro Schöpf trotzig. Hoffenheims Trainer Alfred Schreuder urteilte nach dem 2:1-Sieg beim FC Bayern und dem 2:0 gegen Schalke etwas überraschend: «Das war bisher der stärkste Gegner, gegen den wir gespielt haben.»
Beim «Massen-Meisterkampf» («Bild») praktisch zur Hinrunden-Halbzeit sind auch der SC Freiburg und Eintracht Frankfurt dabei – und vor allem der VfL Wolfsburg. Dessen österreichischer Chefcoach Oliver Glasner weiß noch gar nicht, wie es ist, zu verlieren. Der VW-Club ist nicht nur in der Bundesliga ungeschlagen, sondern auch in Testspielen und in der Europa League – insgesamt bereits in 20 Partien.
«Das passt zum diffusen Bild von der Liga, in der gerade so etwas wie Anarchie herrscht», schrieb die «Frankfurter Allgemeine Zeitung». Wolfsburg darf sich derzeit beim FC Liverpool und Juventus Turin einreihen. Nur dieses Trio ist in den europäischen Spitzenligen noch ungeschlagen. Nur fünf Gegentore hat der Tabellenzweite zudem kassiert.
Auf die Tabelle schaut in der Liga aber angeblich ohnehin niemand – vor dem 34. Spieltag. Trainer und Manager reagieren auf entsprechende Fragen in der Regel so, als sei die Liste mit Punkten und Torverhältnis so ziemlich der überflüssigste Maßstab seit der Einführung der Liga überhaupt. Die vergebene Chance auf die Tabellenführung? Ob Schalke jetzt ein Spitzenteam sei? Sportvorstand Jochen Schneider antwortete schmallippig: «Ich fange mit der Frage nichts an. Spitzenteam oder nicht – alles uninteressant», sagte er. «Die Punktzahl ist entscheidend, die Art und Weise, wie wir arbeiten, wie wir spielen. Nicht ob wir Zweiter sind, Fünfter oder Siebter.»
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(dpa)