Braunschweig – Schon kurz nach der Explosion der Gefühle waren die Fans in Gedanken bei dem für sie wichtigsten Spiel der Rückrunde.
Braunschweigs Trainer Torsten Lieberknecht tobte nach dem späten 1:0 (0:0)-Sieg gegen Dynamo Dresden noch wie ein glückseliges Rumpelstilzchen an der Seitenlinie, als die Braunschweiger Anhänger bereits riefen: «Wir wollen den Derby-Sieg!»
Beim erneuten Last-Minute-Erfolg der Braunschweiger feierten die Fans vor allen Ken Reichel, der die Eintracht in der zweiten Minute der Nachspielzeit an Hannover 96 vorbei auf Platz zwei der 2. Fußball-Bundesliga geschossen hatte. Wieder einmal – wie gegen Heidenheim – traf der linke Außenverteidiger nach der 90. Minute. «Momentan schlagen die Dinger bei mir immer ein», kommentierte der Torschütze grinsend.
«Ein Braunschweiger Spiel ist erst zu Ende, wenn Ken Reichel trifft», witzelte ein Reporter im Keller des Eintracht-Stadions. Die Hannoveraner, am Samstag Gastgeber beim brisanten Nachbarschafts-Duell, sind also gewarnt.
«Das ist ein unglaubliches Gefühl», schwärmte Reichel. Während des Schusses «macht man sich keine Gedanken und hält einfach drauf», gab er zu: «Und dann ist es Freude pur.» 20 000 Braunschweiger im Stadion tobten, die Spieler lagen sich in den Armen, und der Trainer war außer sich. «Ich fiebere halt mit», sagte Lieberknecht fast entschuldigend: «Das muss raus.»
Dank des dritten späten Sieges innerhalb von nur fünf Spielen fahren die Last-Minute-Spezialisten am Samstag als Tabellen-Zweiter in die Nachbarstadt zum Dritten; punktgleich mit Spitzenreiter VfB Stuttgart. «Das ist natürlich ein Mega-Spiel», schwärmte Braunschweigs Phil Ofosu-Ayeh: «Derby plus die Tabellenkonstellation, das ist natürlich krass. Vor 50 000 Zuschauern, da bin ich jetzt schon heiß.»
Bei Ofosu-Ayeh war die Vorfreude wie bei den Eintracht-Fans zu spüren: «Wenn das einer vor der Saison gesagt hätte, das ist unglaublich.» Die Braunschweiger sind im Vorteil. Ein Punkt reicht, um den Aufstiegsplatz zu verteidigen.
«Hannover hat immer mehr Druck als alle anderen», sagte Reichel und fügte genüsslich an: «So wie der Präsident es ausdrückt, müssen sie ja aufsteigen.» 96-Boss Martin Kind hatte die Rückkehr in die 1. Liga mehrfach als «alternativlos» bezeichnet.
Trotz der besseren Tabellenplatzierung gefällt sich Braunschweig in der Rolle des Außenseiters. «Wir spielen gegen den Über-Favoriten», formulierte es der Trainer. Und Reichel sagte: «Bei dem Etat und den Spielern, die die da haben, müssen sie da oben spielen.»
Aber auch die Braunschweiger sprechen inzwischen unverhohlen vom Aufstieg. Das war vor ein paar Wochen noch anders, als der Trainer nach dem 1:1 gegen den VfB Stuttgart entsprechenden Fragen eher ungeschickt auswich und die Spieler lieber schwiegen.
Jetzt gab Rechtsverteidiger Ofosu-Ayeh zu: «Wir haben alle zusammen einen großen Traum.» Und auch der sonst eher zurückhaltende Linksverteidiger Reichel sagte: «Was sollen wir da wegdiskutieren? Wir stehen auf dem zweiten Platz und wollen da auch am Ende stehen.»
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(dpa)