Ludwigshafen – Star-Trainer Ulli Wegner ist seinen letzten Boxweltmeister los. Jack Culcay verlor in der Nacht zum Sonntag in der Ludwigshafener Friedrich-Ebert-Halle seinen Titel der WBA im Halbmittelgewicht an den Amerikaner Demetrius Andrade.
Zwei Kampfrichter gaben 116:112 Punkte für Andrade, einer wertete 115:114 für Culcay. «Ich muss damit leben», sagte der entthronte Champion enttäuscht, fand anschließend aber positive Aspekte: «Mein Trainer ist zufrieden, meine Familie ist zufrieden. Das ist, was zählt.»
Der favorisierte Andrade war so gefordert worden, dass er sich nach dem Duell völlig verausgabt übergeben musste, wie sein Vater und Trainer Paul Andrade gestand. In der Endphase des Kampfes waren ihm vom Schwung der eigenen Schläge einige Male die Beine eingeknickt. «Jack hat eine grandiose Leistung gezeigt. Das haben wir so nicht erwartet», meinte der erstaunte Andrade-Vater.
Dass hinderte seinen 29 Jahre alten Sohn aber nicht, Klassenunterschiede zu formulieren. «Ich war nicht in Bestform. Mein Bestes heute hat aber gereicht», erklärte der in 24 Kämpfen unbesiegte Boxer. «Ich bin in einer anderen Liga. Ich will jetzt größere Kämpfe haben.»
Sein Sieg ist korrekt. Über die Punktedifferenzen lässt sich – wie so häufig im Boxen – trefflich streiten. Fakt ist aber: Der unbequeme Rechtsausleger Andrade hatte stets mehr Hände drin, wie die Boxer ein Trefferübergewicht beschreiben. Der 31 Jahre alte Culcay war in den ersten Runden zu verhalten. «Er hat viel Zeit verschenkt, hatte zu viel Respekt am Anfang», befand der frühere Schwergewichts-Europameister und Stallgefährte Kubrat Pulew.
Es war ein intensives Gefecht, das nicht die technischen Feinheiten bot, die aufgrund der Klasse beider Boxer möglich gewesen wären. Weil der 13 Zentimeter größere Andrade aufgrund seiner Reichweitenvorteile in der Distanz überlegen war, versuchte es Culcay häufig im Clinch. Mitunter geriet der Nahkampf zur wilden Keilerei. Dann saß Trainer Wegner mit schmerzverzerrtem Gesicht in der Ringecke und presste die Fäuste an die Schläfen. «Ruhig, Jack!», schrie er.
Zumindest die Zuschauer in der Halle hatten die einstündige Verspätung des Kampfbeginns wegen einen Stromausfalls im Übertragungswagen von Sat.1 schnell verziehen. Sie sahen es wie Manager Wilfried Sauerland, der von einem «hervorragenden Kampf mit richtig dramatischen letzten Runden» sprach. Weil Andrade dem Darmstädter physisch überlegen war, warf der Grandseigneur des deutschen Boxens eine neue Überlegung ein: «Vielleicht wäre es sinnvoll, wenn Jack eine Gewichtsklasse tiefer geht.» Vom Halbmittel runter ins Weltergewicht beträgt die Differenz drei Kilo.
Culcay will maximal zwei Wochen Pause einlegen. «Dann fange ich wieder mit dem Training an. Ich muss einfach weitertrainieren, damit ich wieder den Titel hole», berichtete er über seine Unrast und ergänzte: «Und morgen gehe ich laufen.» Gute Angebote in der Zukunft billigte ihm die Gegenseite zu. «Die Boxwelt hat nach diesem Kampf endlich Notiz von Jack genommen. Wenn er jetzt keine großen Kämpfe kriegt …», rief Andrades Promoter Art Pelullo.
Wegner gestand zwar ein, wegen des Titelverlustes traurig zu sein, lobt aber seinen Schützling. «Jack hat großes Potenzial. Es geht weiter», verkündete der 74 Jahre alte Berliner. «Mit welcher Moral er gekämpft hat! Diesen Jungen muss man einfach gernhaben.»
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(dpa)