Rio de Janeiro – Die entscheidenden Szenen beschäftigten Timo Boll auch später am Abend noch. Nach dem bitteren 1:3 im Halbfinale des olympischen Teamwettbewerbs gegen Japan haderte der 35 Jahre alte Tischtennis-Routinier lange mit seiner Leistung.
«Das wurmt mich schon ungemein», sagte der deutsche Fahnenträger, der gegen Japan sowohl sein Einzel als auch das Doppel verloren hatte. Nach der Niederlage bleibt Boll bei seinen möglicherweise letzten Olympischen Spielen nur noch die Chance auf die Bronze-Medaille mit dem Team.
Denn auch im Einzel war der sechsmalige Europameister schon im Achtelfinale gescheitert, hatte dann seine ganze Hoffnung auf eine Medaille in den Teamwettbewerb gelegt. Sich nun auf das so wichtige Bronze-Match gegen Südkorea am Mittwoch zu konzentrieren, fiel Boll direkt nach der Niederlage schwer. «Wir müssen positiv bleiben, aber die Enttäuschung muss man schon erstmal verarbeiten», gab er mit leerem Blick und verschränkten Armen nachdenklich zu.
«Aber am Ende geht es nochmal um eine Medaille und dann wird es auch irgendwie gehen», sagte Boll. «Dieses miese Gefühl, was man gerade hat, das muss einfach irgendwie raus aus dem Kopf.» Dafür wollte der Profi von Borussia Düsseldorf am Dienstag noch einmal leicht trainieren und entspannen – auch um die entscheidenden Szenen des schmerzhaften K.o. gegen Japan aus dem Kopf zu bekommen.
Teamkollege Dimitrij Ovtcharov hatte die erste Partie mit 3:0 gewonnen. Boll führte im ersten Satz des zweiten Matches mit 7:2 gegen Japans starke Nummer eins Jun Mizutani – und verlor. «Das war so ein bisschen auch der Knackpunkt in seinem Spiel», urteilte Bundestrainer Jörg Roßkopf. «Danach muss man sagen, dass die Japaner sehr, sehr stark gespielt haben und natürlich ist es dann schwierig.»
Und auch Boll, der immer wieder ratsuchend zu seinem Trainer blickte, während die Partie gegen ihn kippte, gab später zu: «Wenn ich den ersten Satz nach Hause gebracht hätte nach hoher Führung, hätte er vielleicht ein bisschen mehr Druck verspürt. Aber, hätte, wenn. Er hat einfach sehr, sehr stark gespielt. Da haben wir es nicht geschafft, uns irgendwie zu befreien oder eine Lösung zu finden.»
Gegen Südkorea setzt Roßkopf trotz des unglücklichen Auftritts auf die Erfahrung von Routinier Boll, der mit seinem sozialen Engagement, seiner Fairness und seinem Sportsgeist vielen als Vorbild gilt. Bei den Spielen in Rio gab es für Boll stets den längsten und lautesten Applaus. «Er hat unglücklich verloren, aber ich mache mir beim Timo keine Sorgen», sagte Roßkopf. «Gegen Südkorea spielt Erfahrung eine große Rolle und da hoffen wir, dass wir mit ihm bestehen können.»
Und auch Boll versuchte schnell, alle negativen Gedanken zur Seite zu schieben. Ob gegen Japan mehr möglich gewesen wäre und ob die Partie um Bronze seine letzte Chance auf olympisches Edelmetall sein könnte, darüber wollte Boll noch nicht nachdenken. «Erstmal konzentriere ich mich jetzt auf das Spiel gegen Südkorea», versprach der 35-Jährige. «Ob es jetzt das letzte Mal ist oder nicht, das weiß ich noch nicht.»
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(dpa)