Rio de Janeiro – Jetzt ist Paul Biedermann im Schwimm-Ruhestand. «Ich bin so weit mit mir im Reinen, dass ich sage: Das war jetzt meine Schwimmkarriere, ich durfte viel erleben. Die Olympiamedaille wird ein Traum bleiben, aber dann ist es so», sagte der 30-Jährige.
Wie bewerten Sie das letzte Rennen ihrer Karriere und die Tränen Ihrer Staffelkollegen?
Paul Biedermann:Das ist eine sehr emotionale Sache. Wir haben zwei Jahre zusammen gekämpft, wir sind gute Freunde geworden. Das ist jetzt traurig, aber wir haben gekämpft, wir haben nicht aufgegeben. Und das war das, was für mich wichtig war. Ich bin stolz auf die Jungs und das ist das, was ich mitnehme.
Und was können Sie ihnen mitgeben?
Biedermann:Ich hoffe, einiges: Trainingsfleiß, Zusammenhalten. Ich bin ja nicht aus der Welt, ich höre nur auf mit Schwimmen. (lacht). Wenn es gewünscht ist, werde ich mit Rat und Tat zur Seite stehen.
Woran denkt man bei aller sportlichen Enttäuschung kurz nach dem letzten Rennen?
Biedermann:Ich bin nicht enttäuscht. Es war das letzte Rennen, ich habe noch mal einen Weltrekord miterlebt, es war tolle Stimmung. Dieser Abschluss mit der Kraul-Staffel über 4 x 200 Meter ist für mich okay. Ich bin so weit mit mir im Reinen, dass ich sage: Das war jetzt meine Schwimmkarriere, ich durfte viel erleben. Die Olympiamedaille wird ein Traum bleiben, aber dann ist es so.
Was geht einem durch den Kopf, wenn man das letzte Mal auf dem Startblock steht?
Biedermann:Gar nichts. Ich war fokussiert, ich wollte meinen Staffelwechsel richtig machen, bloß keine Disqualifikation. Ich wollte noch mal ein schnelles Rennen schwimmen, noch mal neben Michael Phelps. Das hat alles irgendwie gepasst. Im Nachhinein ist es einfach schön gewesen.
Wie sehen Sie die Leistung von Michael Phelps, der auch in Rio wieder seine Extraklasse demonstriert?
Biedermann:Seine Leistung über 200 Meter Schmetterling und in den Kraul-Staffeln, das war jeweils eine super Leistung. Michael Phelps halt. Der Beste. Punkt.
Wie haben Sie und Michael Phelps sich voneinander verabschiedet?
Biedermann:Ich werde vielleicht noch mal das Gespräch suchen, mich noch mal bei ihm bedanken. Er hat mir ja doch eine ganze Menge Türen geöffnet seit 2009 und da werde ich einfach noch mal Danke sagen. Er ist der Beste, das muss ich ihm nicht sagen.
Der Beste über den Schwimmsport hinaus, größer als Usain Bolt oder andere?
Biedermann:Ja, doch. Durch seine Comeback-Qualitäten, wie er hier abgeschnitten hat, wie er sich zurückgekämpft hat. Das ist einmalig. Da fehlen mir die Worte, wie er das gemacht, was er da im Training geleistet haben muss. Das ist so etwas Besonderes, das kann ich gar nicht greifen.
Was wird dem Schwimmsport fehlen ohne Paul Biedermann?
Biedermann:Gar nichts. Ich finde, wir haben tolle Talente, wir sind auf dem richtigen Weg. Ich glaube nicht, dass dem Schwimmsport etwas fehlen wird. Es wird an der Zeit, dass ich abtrete, dass die Leute raus kommen und selber ins Licht treten. Manchmal ist es gar nicht so schlecht, wenn da mal einer geht, dass Platz ist für die anderen.
Was wird Ihnen vom Schwimmsport fehlen?
Biedermann:(lange Pause und ein Lächeln). Die Ruhe – und diese Jungs.
Die Staffel-Jungs haben ein paar Tränen vergossen. Wie nehmen Sie das auf?
Biedermann:Das berührt mich und es zeigt mir einfach, wie wichtig das auch für die Jungs war. Ich werde Ihnen nie einen Vorwurf machen. Ich weiß, dass sie ihr Bestes gegeben haben. Es war heute nicht mehr drin. Das ist okay für mich.
Sehen Sie die Jungs noch mal wieder als Gast im Trainingslager?
Biedermann:Das hängt ja mehr oder weniger vom Deutschen Schwimm-Verband ab. Und Ihr wisst ja selber: Wer einmal weg ist, der ist dann weg.
Worauf freuen Sie sich am meisten nach dem Leistungssport?
Biedermann:Ich freue mich darauf, nicht mehr trainieren zu müssen, nicht mehr so früh aufstehen zu müssen. Und auf die Freiheiten, die ich mir selber weggenommen habe, weil ich den Sport professionell machen wollte.
Fotocredits: Michael Kappeler
(dpa)