München – Mit einem einmaligen Konzept startet die Basketball-Bundesliga ihr Quarantäne-Turnier.
Zehn Teams, keine Zuschauer, Spieler und Betreuer abgeschottet von der Außenwelt – die Planspiele der Ligaspitze um Geschäftsführer Stefan Holz gehen aber schon über die Fortsetzung der Saison in München hinaus. Ein Gespräch über Finanznöte zu Corona-Zeiten, wann es wieder Zuschauer beim Basketball geben soll und die Übergabe der Meistertrophäe.
Am Samstag startet die BBL ihr Meisterturnier. Wie zuversichtlich sind Sie, dass Sie wie geplant am 28. Juni einen Meister küren können?
Stefan Holz: Wir sind gut vorbereitet, wir haben mit dem FC Bayern den richtigen Ausrichter gewählt. Die Politik hat unserem Sicherheits- und Hygienekonzept bescheinigt, dass es überzeugend ist. Insofern sind wir gut präpariert. Es können allerdings schon noch viele Dinge passieren, der Teufel steckt im Detail. Aber es ist alles on track. Ich denke, dass wir am Samstag bereit sein werden. Überall macht sich Vorfreude breit, bei den Teams, bei den Spielern. Es geht endlich wieder darum, Basketball zu spielen.
Welche Bedeutung hat dieses Turnier für die Liga und die Vereine?
Holz: Es ist sehr wichtig, dass wir weitermachen, um die BBL GmbH und die Vereine über den Sommer zu bringen. Es wäre für uns ein Fehler gewesen, die Saison vorschnell zu beenden. Hinter der BBL steckt mehr als die Profiteams: Jugendprogramme, Schul-AGs, die Geschäftsstellen. Wenn wir nicht weiter gespielt hätten, wäre es schwierig gewesen, all diese Dinge über den Sommer aufrecht zu erhalten. Wir versprechen uns davon, dass die Entwicklung der BBL über die letzten zehn Jahre nicht gebrochen wird.
Welche Wirkung versprechen Sie sich darüber hinaus von diesem Turnier?
Holz: Natürlich geht es auch darum, Aufmerksamkeit zu erhalten. Das beweist sich bereits im Vorfeld. Wenn es dann endlich wieder um Sport geht, kann das eine Chance sein, zu zeigen, wie toll Basketball ist, wie cool die BBL ist.
Hat der Titel aber sportlich nicht einen anderen Stellenwert als in normalen Saisons?
Holz: Ich sehe im Ranking auf keinen Fall ein Sternchen, das die deutsche Meisterschaft 2020 relativiert. Die Clubs geben Gas, verpflichten Spieler nach, es ist wieder ein richtiger sportlicher Wettstreit entstanden. Die Taktung, alle zwei Tage zu spielen, macht die Saisonfortsetzung zu etwas Besonderem. Es ist ein Turnier, bei einer Weltmeisterschaft fragt auch niemand, ob sie weniger Wert ist als eine Bundesligasaison, nur weil sie kürzer ist. Es hat einfach einen anderen Reiz.
Sie werden selbst nicht in der aktiven Zone mit Kontakt zu den Spielern sein. Das heißt, den Pokal dürfen Sie gar nicht übergeben?
Holz (lacht): Das haben wir uns offen gestanden noch gar nicht genau angeschaut. Das ist aber eines unserer geringsten Themen. Ich sage meinen Leuten immer: Let’s cross this bridge when we get there.
Sie haben zuletzt gesagt, dass das Konzept für dieses Turnier ohne Zuschauer auch eine «Blaupause» für die kommende Saison sein kann. Was sind derzeit die Pläne für nächste Spielzeit?
Holz: Ich sehe es inzwischen ein bisschen anders. Wenn wir sagen, dass es eine «Blaupause» ist, unterstellen wir, dass wir in der kommenden Saison ohne Zuschauer spielen. Mittlerweile sage ich, dass es nicht die Lösung sein darf, über einen längeren Zeitraum ohne Zuschauer zu spielen. Wenn es aber so sein muss, hätten wir sicher enorme Erfahrung gesammelt. Aber das wäre immer nur ein Notfallplan. Es muss das Ziel sein, möglichst bald, also mit Beginn der kommenden Saison, wieder mit Zuschauern oder zumindest eingeschränkter Zuschauerkapazität zu spielen. Ich hoffe, dass wir das Konzept dann nicht mehr brauchen.
Wie weit sind die Pläne dafür?
Holz: Darauf zu warten, dass wir irgendwann wieder uneingeschränkt mit Zuschauern spielen, ist keine Strategie. Der nächste Schritt wird sein – Stichpunkt Konzept 2.0 – unser Konzept weiterzudenken und zu fragen, unter welchen Bedingungen und mit welchen Maßnahmen es vertretbar sein kann, wieder vor einem Teil der Zuschauer zu spielen.
Welche Bedeutung hat dies für die Überlebensfähigkeit von Basketballvereinen?
Holz: Das hat zwei Aspekte: Zum einen das Kommerzielle. Von den direkten Einnahmen über alle Clubs gerechnet macht das Ticketing rund 20 Prozent aus. In Summe ist es aber deutlich mehr, weil Sponsorenpakete Tickets beinhalten, es VIP-Pakete gibt und die Reichweite in der Halle wichtig für lokale Sponsoren ist. Zum anderen muss Livesport einfach vor Zuschauern stattfinden. Gerade für den Basketball ist die Stimmung in der Halle essenzieller Teil des Produkts.
Rechnen Sie damit, dass alle 19 Vereine, die für kommende Saison die sportliche Qualifikation haben, den Sommer überleben?
Holz: Die momentan 17 Clubs sind für diese Saison bis zum 30. Juni alle im sicheren Hafen. Wenn kein Unglück geschieht, sehe ich keinen Club, der das nicht schafft. Das Thema wird die kommende Saison – natürlich könnten alle Clubs BBL spielen, die Frage ist aber, mit welchem Etat. Das müssen wir in den nächsten Wochen beantworten.
Könnte der geplante Mindestetat von drei Millionen Euro als Lizenzvoraussetzung kippen?
Holz: Das haben wir noch nicht entschieden. Die Clubs waren gebeten, bis zum 31. Mai einige Szenarien für kommende Saison zu rechnen. Der BBL-Gutachterausschuss mit unabhängigen Prüfern schaut sich das nun an und gibt uns bis kommende Woche eine Empfehlung. Dann werden wir den Mindestetat von drei Millionen möglicherweise aussetzen müssen.
DOSB-Chef Alfons Hörmann fordert einen nationalen Notfallfonds für den Sport, darunter auch für Profivereine. Wie groß ist der Bedarf im Basketball?
Holz: Wir waren die letzten Wochen und Monate zurückhaltend mit Forderungen, weil wir wissen, dass andere Branchen eine Systemrelevanz haben und in der Schlange vor uns stehen. Aber jetzt ist der Zeitpunkt gekommen, dass wir sagen: Wir sind auch da, der Profisport hat eine wichtige Funktion als Wirtschaftsfaktor, Lebensinhalt und emotionale Komponente für Millionen Menschen. Wenn es notwendig sein sollte, eine längere Zeit ohne Zuschauer zu spielen, dann werden wir das nicht überleben. Insofern bräuchten wir, wenn es diese Anordnung gäbe, finanzielle Hilfe.
Wie hoch müsste diese sein?
Holz: Wir haben die Clubs gebeten, ein Worst-Worst-Case zu rechnen – eine Saison 2020/21 komplett ohne Zuschauer. Dann könnten wir das genauer beziffern. Da geht es schon ans Eingemachte: Wenn die BBL GmbH und die Liga insgesamt einen Umsatz von 140 bis 145 Millionen Euro machen, kann man sich ausrechnen, um welche Beträge es geht.
Was hat diese Ausnahmesituation mit Ihnen persönlich gemacht?
Holz: Das ist eigentlich die unwichtigste Frage. Es hatte den Effekt, dass ich vermutlich so viel gearbeitet habe wie seit meinen jungen Jahren in der Unternehmensberatung nicht mehr. Ich bin sicherlich im Sommer irgendwann urlaubsreif. Auf der anderen Seite: Ich habe so viel Zeit wie seit Jahren nicht mehr im Home-Office verbracht, was auch mal ganz nett war. Aber wenn wir das Turnier erfolgreich abschließen, haben alle Beteiligten einen schönen Erfolg, den sie ihr berufliches Leben nicht mehr vergessen werden.
Medial wurden Sie als «Seifert des Basketballs» bezeichnet. Können Sie mit dem Vergleich mit Christian Seifert, Chef der Deutschen Fußball Liga, etwas anfangen?
Holz: Nein. Ich kenne Herrn Seifert relativ lang, ich habe nie einen Hehl daraus gemacht, dass ich ihn sehr schätze. Die DFL macht einen fantastischen Job, sie hat in diesen Tagen die Loipe gespurt für den Sport weltweit. Er ist mit der DFL aber eine ganz andere Nummer als die BBL, das möchte ich nicht im selben Atemzug nennen.
ZUR PERSON: Stefan Holz ist seit September 2015 Geschäftsführer der Basketball-Bundesliga. Zuvor war der Ökonom als selbstständiger Unternehmer für Medienhäuser und Sportrechtehalter tätig und war als Geschäftsführer der Dolce-Media-Gruppe unter anderem für die Vermarktung von «Wetten dass…?» zuständig.
Fotocredits: Nicolas Armer
(dpa)