Rio de Janeiro – Ein bisschen vom Pech verfolgt sind diese Olympischen Spiele schon gewesen. Das Ende: Es stürmt, schwere Schauer gehen auf den Fußball-Tempel Maracanã nieder – und doch feiern die Cariocas, die Menschen Rios, wie nur sie es können.
Mit bescheidenen Mitteln bieten sie zur Abschlussfeier eine zauberhafte Show, ein Gegenbild zu all den Pannen. Übervoll an Farben, Rhythmus, Freude, lachenden Gesichtern.
So richtig los legen auch die Sportler, tanzen in Capes gegen den Regen an, die Briten mit leuchtenden Blinkschuhen. Tausende Athleten aus den 207 Teams sind stolz, diese von unbändigem Elektro-Pop und Samba getriebene Party erleben zu dürfen. Die deutschen Athleten um Fahnenträger und Kanu-Olympiasieger Sebastian Brendel mittendrin.
Nein, diese Olympischen Spiele von Rio de Janeiro, die ersten in Südamerika, sind weit davon entfernt, perfekt zu sein. Ging auch gar nicht in einem Land, das nicht nur in einer wirtschaftlichen und politischen, sondern auch in einer Sinn-Krise steckt.
Spiele in einer Stadt, die ein Sicherheitsproblem hat – Olympia 2016 war ein Rendezvous mit Rios Realität. In das Bild passt: Das Maracanã leuchtet und in der benachbarten Favela herrscht Dunkelheit: Stromausfall. Dass sich an diesem Abend, der bei der Eröffnung so ausgepfiffene Interimspräsident Michel Temer gar nicht mehr ins Stadion traut, zeigt, dass dringend jemand auf Neustart drücken muss in diesem faszinierenden und widersprüchlichen Land.
Was Geld ausrichten kann, zeigen 11 Minuten und 45 Sekunden, in denen sich die nächsten Gastgeber aus Tokio präsentieren. Weil er fürchtet, zu spät zur Schlussfeier zu kommen, wird aus Japans Premierminister Shinzo Abe kurzerhand Super Mario, der sich durch den Erdball bohrt und – pünktlich – in der Mitte des Maracanã auftaucht. Was dann folgt, ist ein Bewerbungsschreiben, die perfekten Spiele ausrichten zu wollen, koste es, was es wolle.
Eine High-Tech-Show mit scharfem Tempo, Bilder von geradezu wilder Entschlossenheit, die Besten sein zu wollen: «Arigato Rio – danke Rio», malen die Scheinwerfer ein bisschen herzlos auf den Stadionboden. «See you in Tokio.»
Dagegen wirkt die Abschlussfeier zunächst geradezu niedlich, deren Credo naiv: «Gestern wie heute machen wir Dinge, die von Menschenhand geformt sind, lassen Träume und Talente Wirklichkeit werden.» Es werden Geschichten erzählt vom Werden der Menschen in den Amerikas, von Höhlenmalerei, dem Reichtum an Natur, und der Kraft, auch gegen Widerstände etwas zu erreichen. Rio, das viel an Kritik, auch unberechtigte, einstecken musste in den 16 olympischen Tagen, wird mit einer großartigen Tanz-Choreographie gewürdigt: Cristo, Zuckerhut, Copacabana und als Referenz an Olympia die fünf Ringe – es ist noch einmal vor aller Welt die andere, die schöne Seite Rio de Janeiros.
Kommen wir zu den Athleten, den spektakulären Leistungen. Jubel im gut gefüllten Stadion brandet auf, als unvergessliche Momente über die Großbildleinwände flimmern. Ganz besonders laut wird es bei Judo-Olympiasiegerin Rafaela Silva, die aus der Favela Cidade de Deus stammt und sich von ganz unten nach ganz oben gekämpft hat. Bei Neymars Tor aus dem Fußball-Finale gegen Deutschland, beim neunfachen Olymiasieger Usain Bolt und beim erfolgreichsten Olympioniken, dem 23-fachen Sieger im Schwimmen, Michael Phelps.
Und berührend ist die Siegerehrung für die ersten drei des Marathons. Stolz steht Olympiasieger Eliud Kipchoge aus Kenia auf dem Podest, lauscht ernst der Hymne, ein Moment voller Würde. Das Thema Doping scheint weit weg.
Und dann ist da noch das mit Spannung erwartete Urteil des IOC-Präsidenten Thomas Bach. Ein Superlativ ist bei aller Liebe zur brasilianischen Improvisationskunst nicht drin? Bach improvisiert ein bisschen: «Das waren wunderbare Olympische Spiele in der wunderbaren Stadt». Jubel bei den Bewohnern der selbst ernannten Cidade Maravilhosa. Um 22.26 Uhr Ortszeit erlischt das Feuer. Dann haben die Sambaschulen noch einmal ihren großen Auftritt, inklusive riesigem Papageiwagen mit recht knapp bekleideten Tänzerinnen. Vielleicht kann Rio Karneval einfach besser als Olympia. Und Super Mario kann vieles, aber nicht so tanzen, singen.
Fotocredits: Sebastian Kahnert
(dpa)