Kuusamo – Die klirrende Kälte von Kuusamo verließ Andreas Wellinger mit einem schönen Gruß vom Weihnachtsmann. Ganz fröhlich stellte sich der bayerische Skisprung-Grinser nach der Siegerehrung in den Auslaufhang und posierte mit der lange vermissten Leichtigkeit.
«Es war ein großer Schritt nach vorne», sagte der sichtlich zufriedene Wellinger nach seinem zweiten Platz von Kuusamo. Einen Flug wie den auf 145,5 Meter im zweiten Durchgang hatte der Ruhpoldinger lange nicht mehr erleben dürfen.
Für Wellinger setzt sich damit in einem extrem kurzen Zeitfenster das fort, was er in seiner Karriere schon gewohnt ist: ein stetiges Auf und Ab, eine sportliche Achterbahnfahrt zwischen den Extremen. Und die neuesten Ausschläge des Achterbahn-Fahrers heißen: Die erste Qualifikation zum Saisonstart so verhageln, dass er nicht einmal ins deutsche Team für das Mannschaftsspringen nominiert wird. Und eine Woche später vom Podest den Kameraden zujubeln, die vor Wochenfrist noch die Besseren und die Überzeugenderen waren.
«Meine Form war vor zwei Wochen noch nicht so gut, daher bin ich über diese Sprünge und dem zweiten Platz sehr zufrieden. Vor dem Wochenende hätte ich nicht erwartet, dass ich hier auf dem Podium stehe», gab der 23-Jährige offen zu. Es war sein erstes Einzel-Podest seit Januar.
Vor dem Winter hatte man in diesem ausgeglichenen DSV-Adler-Team ja mehreren Athleten den Sprung ganz nach vorne zugetraut. Dem letztjährigen Gesamtzweiten Richard Freitag genauso wie Markus Eisenbichler, der endlich durchstarten will. Aktuell scheint es aber wieder Wellinger zu sein, der «seine Sachen beisammen hat», wie es Bundestrainer Werner Schuster immer so schön formuliert. Nur für den Japaner Ryoyu Kobayashi, den Wellinger «wie ein Blatt Papier» durch die Luft fliegen sah, reichte es südlich des Polarkreises nicht. Er gewann mit klarem Vorsprung.
Wellingers Aufschwung macht Hoffnung für die Saison-Höhepunkte im WM-Winter. «Es ist ein wirklich angenehmes Gefühl zu sehen, dass die Jungs immer näher an ihr Maximum kommen», analysierte Schuster – er meinte damit vor allem den Ruhpoldinger. Nach dem Olympiasieg von Pyeongchang hatte Wellinger sich sichtlich schwer getan. Es folgten schlechte Platzierungen, ein langer und harter Sommer ohne Erfolge.
Wie wichtig die ersten Schanzen-Wochen sind, das wusste Wellinger schon im Oktober, als ihm noch ein Fehlstart zu drohen schien. «Je weiter man am Anfang weg ist, desto schwieriger ist es, das Ganze aufzuholen. Ich hoffe, dass ich den anderen das Leben schwer machen kann», prognostizierte Wellinger damals. Das gelingt ihm schon deutlich besser als erwartet.
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(dpa)