Rio de Janeiro – Das brasilianische Volk erwartet von seinen Volleyballerinnen Gold. Alles andere zählt nicht. Der Druck ist riesig. Nationaltrainer Zé Roberto ist ein ausgewiesener Gold-Experte. Kritik gibt es höchstens mal an seiner Garderobe.
Über das Geburtstagsgeschenk seines Enkels Felipe musste sich José Roberto Guimarães doch ein wenig wundern. Der damals Sechsjährige hatte für den Großvater eine Krawatte ausgesucht. Warum, wollte Mutter Maria Fernanda in Erfahrung bringen. «Opa hat keine richtige Arbeitskleidung. Er läuft immer in Sportklamotten herum», entgegnete Felipe. Und das hat zumindest abseits der eigenen vier Wände einen guten Grund. Denn José Roberto Guimarães, nur Zé Roberto genannt, ist Trainer von Brasiliens Volleyballerinnen und eine wahrer Experte für Olympia-Gold.
1992 führte er Brasiliens Volleyballer in Barcelona zum Triumph, 2008 und 2012 gelang dem heute 62-Jährigen dieses Kunststück dann mit der Auswahl der Frauen. Solch ein Erfolg sowohl bei Männern als auch Frauen war zuvor noch keinem Volleyball-Coach bei Olympia geglückt. Rio sind seine siebten Spiele, seine sechsten als Coach. Mit drei Siegen ohne Satzverlust ist sein Team in Rio de Janeiro bereits ins Viertelfinale gestürmt.
Manchmal wirkt Zé Roberto während der Trainingseinheiten ein wenig gedankenverloren. Die Zunge leicht rausgestreckt lässt er den Volleyball über seinen Arm hüpfen und spaziert am Spielfeld entlang. Es sind willkommene Phasen der kurzen Ablenkung für den Erfolgscoach, der unter so großem Druck steht. Alles andere als Gold vor heimischem Publikum ist für die stolze Volleyball-Nation inakzeptabel.
«Brasilien und die USA sind für mich die absoluten Gold-Favoriten», sagte der frühere deutsche Nationaltrainer Giovanni Guidetti, der am Zuckerhut die Niederländerinnen betreut. Zé Roberto weiß um die Last, die das brasilianische Volk seinem Team auferlegt hat. «Diese Olympiade wird die schwerste meiner Karriere», erklärte er. Gleichwohl verspürt der Routinier, der die Frauen seit 2003 betreut, eine ungeheure Lust. «Es gibt nichts Großartigeres, als sein Land zu repräsentieren und Olympia zuhause zu spielen.»
Zé Robertos Spielerinnen wollen sich von der Erwartungshaltung auch nicht beeinflussen lassen. Sie sind sie schließlich gewohnt. «Wenn dich so viele Menschen zuhause anfeuern, dann ist das eine große Freude», sagte Außenangreiferin Natalia Pereira. «Die Brasilianer sind so leidenschaftlich und geben uns so viel positive Energie.»
Der Start in ihre Mission Gold-Triple verlief makellos. «Olympische Spiele sind aber nie einfach», warnte Zé Roberto vor Hochmut. Auf dem Weg zur nächsten Krönung orientiert er sich auch an einer echten Formel-1-Legende. «Wie hat eines meiner größten Idole gesagt, Ayrton Senna: „Es gibt nichts besseres als zu Hause zu triumphieren“», erzählte Zé Roberto. «Und diese Gelegenheit kommt jetzt.»
Der Genuss dieses Mega-Events darf für Zé Roberto jedoch nicht zu kurz kommen. «Die olympische Atmosphäre ist einfach magisch. Du musst das auch leben», erklärte er. Mit einer vierten Gold-Medaille als Trainer könnte dann wohl auch Enkel Felipe über die legere Garderobe seines Großvaters hinwegsehen.
Fotocredits: Daniel Dal Zennaro
(dpa)