Rio de Janeiro – An Krücken gestützt gab Andreas Toba noch einmal alles für das Team.
«Natürlich war es bitter, heute zuschauen zu müssen. Aber ich habe meinen Teil erfüllt und freue mich, dass die Jungs so stark geturnt haben», krächzte der «Hero de Janeiro» mit heiserer Stimme nach dem starken Auftritt der deutschen Turner im Team-Finale von Rio. Engagiert hatte er im Innenraum soviel Wege zurückgelegt, dass es schon Kritik vom Physiotherapeuten hagelt.
Mit viel Teamgeist und dem Ausreizen aller Möglichkeiten hatten die Deutschen das Ergebnis von London 2012 trotz ungleich schlechterer Bedingungen egalisiert. «Wir sind hier Siebter geworden mit der gleichen Punktzahl wie in der Qualifikation. Und das ohne Andreas Toba. Er hat uns nach dem Kreuzbandriss an allen Ecken und Enden gefehlt», meinte Cheftrainer Andreas Hirsch.
«Ich habe selten erlebt, dass wir 18 Übungen turnen und nur eine schief geht», sagte auch Fabian Hambüchen zufrieden, der mit seiner Reck-Darbietung sogar noch einmal das Spitzen-Resultat aus dem Vorkampf übertraf.
Unzufrieden war einmal mehr Andreas Bretschneider, dem es erneut nicht gelang, sein schwieriges Flugteil an die Reck-Stange zu bringen. Nur vier Stunden vor dem Wettkampf hatte er mit markigen Worten seinen Frust über die stark gewachsenen Risiken des Turnens via Facebook öffentlich gemacht. Sie waren nicht nur durch Toba, sondern vor allem auch durch die grausamen Bilder vom Beinbruch des Franzosen Amir Ait Said ins Bewusstsein der Öffentlichkeit geraten.
Mit deftigen Worten machte Bretschneider seinem Unmut Luft und gab Einblick in seine Gedankenwelt: «Blut, Schweiß und Tränen in mehr als 30 Wochenstunden, Verzicht auf Freizeit, Freunde und Familie, der ewige Kampf gegen den Schmerz und die Selbstzweifel – und das ganze vier Jahre lang für diesen einen Moment.»
In der Mixed-Zone bekräftigte der Chemnitzer: «Es ist doch kein Geheimnis, dass das Turnen immer brutaler und verletzungsanfälliger wird.» Fabian Hambüchen, der selbst in der Vergangenheit von langwierigen Verletzungen gepeinigt wurde, distanzierte sich etwas von der Wortwahl, stimmte Bretschneider aber in einer Frage zu: «Es ist sehr riskant geworden. Man macht immer verrücktere Sachen, um ganz vorn zu landen. Ich mag die aktuelle Regelung nicht.»
Und Marcel Nguyen, der selbst am Barren ein neues Element kreierte, das seit Montag unter seinem Namen in das Turn-Regelwerk eingeht, ging sogar einen Schritt weiter. «Mit dem alten Reglement und der 10,0 als Obergrenze hätte es diese Entwicklung bestimmt nicht gegeben», spekulierte er. 2007 waren die neuen Wertungsvorschriften in Kraft getreten, die Höchstnote 10 wurde abgeschafft.
Dafür setzt sich die Gesamtnote nun an aus einer D-Note für den Schwierigkeitsgrad und einer E-Note für die Ausführung zusammen. Das hatte in den zurückliegenden Jahren zur Explosion der Schwierigkeiten an den Geräten und damit zu einer höheren Gefährdung der Athleten geführt.
Fotocredits: Lukas Schulze
(dpa)