Rio de Janeiro – Die 13-jährige Nepalesin Gaurika Singh hat vor ihrem großen Auftritt ein Problem. Ein gerissenes Kostüm kurz vor dem Gang ins olympische Scheinwerferlicht würde auch manch Ältere nervös machen.
Mit ihren Fingernägeln hatte die jüngsten Teilnehmerin der Spiele von Rio ihren Schwimmanzug eingerissen, Minuten vor ihrem Vorlauf über 100 Meter Rücken. «Das machte mich schon etwas nervös», gibt Singh den vielen Reportern zu Protokoll. Der fix angerufene Trainer in London empfahl den Wechsel des empfindlichen Anzugs. Kurz darauf gewann Singh ihren Vorlauf gegen zwei Konkurrentinnen aus Samoa und dem Kosovo.
Der Frage-Marathon danach dauerte um ein Vielfaches länger als die 1:08,12 Minuten im Becken. Es sei natürlich etwas ganz besonderes, bei Olympia zu starten, und ein tolles Gefühl, den eigenen Namen ganz oben auf der Anzeigetafel zu lesen.
Die Schülerin aus London kam als Zweijährige nach Großbritannien. Ihr Vater bekam damals einen Job als Urologe in einem Krankenhaus. Die behütete Kindheit erfährt einen Einschnitt im April vergangenen Jahres. Singh ist in Kathmandu bei den nepalesischen Meisterschaften, als bei einem Erdbeben 9000 Menschen sterben. «Es war schrecklich. Wir warfen uns unter einen Tisch im fünften Stock. Zum Glück brach das Gebäude nicht zusammen wie die anderen drumherum.» Seitdem spendet sie ihr Preisgeld von Wettkämpfen, immerhin 200 Pfund (236 Euro).
Erstmals nahm sie als Elfjährige an Landesmeisterschaften in Nepal teil. Als sie in einem von zwei 50-Meter-Pools des Landes elf nationale Rekorde aufstellte, kam erstmals der Gedanke an Olympia auf. «Ich war mir unsicher, ob ich nicht zu jung war. Als sie mir vor einem Monat gesagt haben, dass ich dabei bin, war ich geschockt», berichtet Singh, die für das Schwimmtraining vor der Schule oft um vier Uhr morgens aufsteht.
«Es ist schon beeindruckend, wie sie mit allem Druck umgeht», sagt der stolze Vater Paras Singh. Bei aller Lockerheit zeigt seine Tochter aber auch vor der Weltpresse die typischen Probleme eines Teens. Als ihr großes Idol Mitch Larkin auf der Bahn neben ihr trainiert, will sie ihn ansprechen: «Aber aus meinem Mund kam nichts heraus.»
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(dpa)