Kienbaum (dpa) – «Ein Ei ist das Snickers bei den Gewichthebern.» Wer diesen Satz hört, kann sich schon vorstellen, dass Genuss beim Essen in dem Kraftsport eher hinten ansteht.
Der Satz stammt vom Trainer der einzigen deutschen Gewichtheberin bei Olympia, Sabine Kusterer. Die 25-Jährige kämpft vor ihrer Abreise nach Rio mit ihrem Gewicht – während ihre vier männlichen Team-Kollegen Unmengen an Kalorien aufnehmen dürfen.
Für Kusterer hängt die Teilnahme an den Spielen an ihrem Abnehmerfolg. Denn nur in der Klasse bis 58 Kilogramm schaffte sie Anfang Juli die Norm. Eine Gewichtsklasse höher würde bedeuten: 18 Kilo mehr stemmen.
«Es ist eine große Belastung, das Gewicht zu reduzieren», sagte die Sportsoldatin aus Karlsruhe der Deutschen Presse-Agentur. Sie esse einfach gerne. Bisher hat sie schon fünf Kilo abgenommen. Bei einer Größe von 1,56 Metern wiegt sie derzeit 60 Kilogramm. Bis Rio komme sie auf das Zielgewicht, das stehe außer Frage.
Im Olympia-Trainingslager in Kienbaum östlich von Berlin verzichtet Kusterer konsequent auf ihr Abendessen. Wenn ihre männlichen Teamkollegen speisen, schwitzt sie in der Sauna oder beschäftigt sich allein in ihrem Zimmer. Ihre letzte Mahlzeit des Tages ist ein einsames Mittagessen um 14.30 Uhr.
«Natürlich versucht man, nur das Gute zu essen», sagt Kusterer. Den Teller lädt sie sich hauptsächlich mit Gemüse und Fleisch voll. «Ich esse gern Fleisch, das ist gut beim Gewichtheben.» Schlimm sei es nicht für sie, am Abend nichts mehr zu sich zu nehmen. Das helfe bei der Fettverbrennung. Muskelmasse verlieren darf Kusterer vor Olympia natürlich nicht.
Damit sie es trotz der acht täglichen Hanteleinheiten und der beiden Krafteinheiten ohne Hunger durch den Tag schafft, gönnt sie sich mittags um halb zwölf ein Ei mit Gemüse oder Obst. Ganz selten greife sie auch mal zu Süßem.
Als einzige Frau in einem ansonsten reinen Männerteam fühle sie sich wohl, sagt Kusterer. «Ich bin es von klein auf gewohnt, mehr mit Jungs zu trainieren als mit Mädels.» Die Männer kämen auch mal mit Problemen zu ihr. Man helfe sich gegenseitig. Klar sei es manchmal schade, dass es so gar keine weiblichen Ansprechpartner im Team gebe. Aber dafür habe sie schließlich ihr Smartphone.
Zu ihrem Sport kam Kusterer wegen ihres Vaters. Der war selbst Gewichtheber und nahm seine Tochter schon als Siebenjährige mit zum Training. Die Muskeln sollten ihr beim Judo helfen. Mit 16 entschied Kusterer sich dann endgültig fürs Gewichtheben – auch aus Faulheit, wie sie sagt. Denn dafür gehe weniger Zeit drauf als fürs Judo. «Im Gewichtheben ist auch Pause entscheidend, um weiterzukommen.»
Fotocredits: Michael Kappeler