London – Ein Crash am Erdwall, dann wochenlang Koma – die glanzvolle Rennfahrer-Karriere des Stirling Moss war vorbei.
Die britische Motorsport-Legende galt als einer der besten Formel-1-Piloten, doch die verdiente Krönung als Weltmeister blieb dem PS-Ritter versagt. Viermal WM-Zweiter, dreimal Dritter – immer wieder stand der Brite so dicht vor der Erfüllung seines Lebenstraums, ehe er ihn nach dem Horror-Unfall von Goodwood 1962 aufgeben musste.
Sir Stirling Moss starb nun am Sonntag im Alter von 90 Jahren. Seine Frau Lady Moss sagte nach Angaben der englischen «Daily Mail»: «Er starb, wie er gelebt hat: wundervoll aussehend.» Mercedes, für das Moss früher einmal aktiv gewesen war, schrieb: «Die Sportwelt hat nicht nur eine wahre Ikone und Legende verloren, sondern auch einen Gentleman.» Die Formel 1 veröffentlichte auf ihrer Homepage einen Nachruf. Der weltberühmte Rennfahrer hinterlässt seine dritte Frau Susie.
Der spätere Sir Stirling wurde am 17. September 1929 in London geboren. Dem Rausch der Geschwindigkeit verfiel er schon als Teenager. Sein Vater war Hobby-Rennfahrer, seine Mutter machte sich als Rallye-Pilotin einen Namen. «Eine Kurve mit Vollgas zu durchfahren, ist schwierig. Aber dieselbe Kurve mit Vollgas zu nehmen, wenn auf der einen Seite eine Mauer und auf der anderen ein Abgrund ist, das ist eine echte Leistung», sagte Moss später einmal. Schon mit 15 durfte er dank einer Sondergenehmigung den Führerschein machen, den er später wegen seiner rasanten Fahrweise allerdings mehrfach wieder abgeben musste.
Auch auf der Rennstrecke machte ihn sein Bleifuß berühmt. Taktisches Fahren war nicht die Sache des Stirling Moss, stattdessen ging der ungestüme Zahnarzt-Sohn stets mit Leidenschaft ans Limit. Auf viele Siege in unteren Klassen folgte 1951 das Formel-1-Debüt in der Schweiz. In unterlegenen britischen Autos blieb Moss zunächst jedoch chancenlos. Erst nach seinem Wechsel zu Maserati holte er 1954 seine ersten Punkte bei einem Grand Prix, bevor er im Mercedes 1955 beim Heimrennen in Aintree seine Siegpremiere feierte.
Nach drei Vize-Weltmeisterschaften hinter Juan Manuel Fangio in Serie ging Moss nach dem Rücktritt des Argentiniers 1958 als Favorit ins Titelrennen. Bis zum vorletzten Grand Prix der Saison führte er die WM-Wertung an. Beim Finale in Portugal gab er dem strauchelnden Rivalen Mike Hawthorn im Vorbeifahren Tipps, wie er seinen Rennwagen wieder zum Laufen bekommen könnte. Hawthorn fuhr noch in die Punkte und wurde am Ende mit einem Zähler Vorsprung Champion vor Moss.
Wirklich zutreffend aber war der Ruf des «ewigen Zweiten» nicht. In 66 Grand Prix überquerte Moss 16 Mal als Erster die Ziellinie. Von 529 Rennen in allen Klassen gewann er 212. Doch dann kamen die Fordwater-Kurve in Goodwood und der fatale Crash in einen Erdwall. «Ich dachte, ich könnte noch 20 Jahre Rennen fahren. Ich war wirklich auf dem Höhepunkt meiner Karriere», erklärte Moss in Erinnerung an den Unfall.
Ein Comeback-Versuch ein Jahr später scheiterte, also stürzte sich der Lebemann in das Leben nach der Formel 1. Er wurde erfolgreicher Immobilienmakler, «weil man dafür nichts können muss». Ganz ohne Motoren und schnelle Autos kam Moss aber nicht aus. In einem James-Bond-Film fuhr er den Fluchtwagen der Bösewichte. Für eine Trickfilm-Serie lieh er «Roary, dem Rennauto» seine Stimme. Bei Oldtimer-Rennen war er bis ins hohe Alter am Start. «In Bewegung komme ich zur Ruhe», verriet Moss, der im März 2000 zum Ritter geschlagen wurde.
Sogar bei den Motorsport-Festivals in Goodwood war der PS-Senior noch lange ein regelmäßiger Gast – und raste ohne Seelenschmerz durch die Fordwater-Kurve. «Wenn ich da vorbeikomme, wird mir klar, wie viel schneller ich fuhr, als ich jung war», sagte Moss.
Anfang 2018 zog er sich schließlich nach einem monatelangen Krankenhausaufenthalt vom öffentlichen Leben zurück und wurde daheim von Krankenschwestern gepflegt. Bei Feierlichkeiten zu seinem 90. Geburtstag im September 2019 nahm seine Ehefrau Susie ohne ihn teil.
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(dpa)