Kiel – Wenn ihm Ideen für einen neuen Spielzug oder eine Deckungsvariante kommen, greift Filip Jicha zum Smartphone. Doch meist schläft der ehemalige Welthandballer erst eine Nacht darüber, bevor er den Praxistest seiner digitalen Notizen wagt.
«Wenn wir die Dinge im Training beim THW Kiel ausprobieren, sehe ich, wie die Spieler mich anschauen und denken: Das ist blöd», sagt der kommende Trainer des deutschen Rekordmeisters. Oft sei es aber genau umgekehrt, und von ihm für weniger gut gehaltene Ideen lösten Begeisterung aus. Im Sommer wird der 36-Jährige den Isländer Alfred Gislason als Cheftrainer bei den «Zebras» beerben.
Jicha ist die Vorfreude auf seine kommende Aufgabe bei dem Verein, für den er einst als Spieler Meisterschaft um Meisterschaft und zweimal die Champions League gewann, deutlich anzusehen. «Alfred ist einer der erfolgreichsten Vereinstrainer der Welt», sagt der ehemalige Rückraumstar. «Ich will gar nicht erst in seine Fußstapfen treten, denn das hätte gar keinen Sinn. Ich will hier meinen eigenen Weg gehen.» Beide hatten als Spieler und Trainer eine erfolgreiche gemeinsame Zeit. Zu Beginn der laufenden Saison ist Jicha als Assistenz-Trainer Gislasons nach Kiel zurückgekehrt. In seiner elften und letzten Saison an der Förde lässt der Erfolgscoach dem Tschechen bereits viel Raum zur Entfaltung.
«Ich bin froh, dass ich für diesen Verein, den ich wirklich im Herzen trage, meine Vision von Handball verwirklichen kann», sagt Jicha. Der Abonnementsmeister vergangener Jahre hatte zuletzt dreimal in Folge anderen Teams zum Titel gratulieren müssen. Aktuell ist der Verein wieder zurück im Titelrennen, aber noch beträgt der Rückstand auf den Spitzenreiter und Nordrivalen SG Flensburg-Handewitt sechs Minuspunkte.
«Wir wollen etwas Neues entstehen lassen», sagt Jicha. «Wir wollen der ganzen Region, ganz Deutschland zeigen, dass wir als Verein wieder auf dem richtigen Weg sind.» Ins Bild passt da auch die Verpflichtung des norwegischen Weltklassemanns Sander Sagosen, der von 2020 an das THW-Trikot tragen wird.
Derzeit macht Jicha parallel zu seiner Aufgabe beim THW die A-Lizenz für Trainer. «Ich möchte die Energie, die in mir steckt, an meine Spieler weitergeben», sagt er. Besonderen Druck verspüre er nicht, hohe Erwartungshaltungen hätten ihn über seine komplette Karriere hinweg begleitet. «Ich habe erlebt, was sportlichen Erfolg ausmacht.»
Besonders gern erinnert sich Jicha an das irre Meisterschaftsfinale 2015 zwischen Kiel und den Rhein-Neckar Löwen, das der THW am Ende dank der besseren Tordifferenz für sich entschied. «Dass wir das damals wirklich in letzter Sekunde noch gedreht haben, zählt zu den intensivsten Erlebnissen in meiner Handball-Karriere.» Noch heute habe er die Bilder der Euphorie in der Kieler Arena vor Augen.
Der Ex-Kapitän tüftelt intensiv am neuen THW. «Ich habe bereits eigene Vorstellungen, wie wir spielen wollen», sagt der angehende Trainer. Jicha will sich nicht auf eine klare erste Sieben festlegen. «Jeder Spieler im Kader ist für mich wichtig.» Die Mannschaft müsse funktionieren wie eine große Familie, deren gemeinsames Ziel der Erfolg sei. Sicher würden sich unter seiner Regie aber auch Dinge ändern. Von August an wird es für den bisherigen Co-Trainer auf der Trainerbank ernst: «Ich will in erster Linie aber der Mensch bleiben, der ich bin.»
Fotocredits: Carsten Rehder
(dpa)