Berlin – Als sein Diskus um 17.52 Uhr auf dem akkurat gestutzten Rasen landete, da war die große Karriere des Robert Harting beendet. Ein letztes Mal winkte er seinen treuen Fans im Berliner Olympiastadion zu.
Nach zwölf Jahren Hochleistungssport sagte der 33-Jährige Diskuswurf-Olympiasieger am Sonntagabend beim ISTAF Tschüss. Die 45.500 Zuschauer feierten den Publikumsliebling schon bei der Begrüßung in seinem «Wohnzimmer» mit tosendem Beifall. Der Applaus wollte nicht enden, als Harting seine Ehrenrunde drehte. Ein Doppeldecker-Bus mit Hartings Fanclub drehte eine Runde um die blaue Bahn: «Danke für eine geile Zeit!»
Hauptdarsteller Harting war gerührt und überwältigt. «Ich habe mir immer gewünscht, dass ich hier zu Hause meine Karriere beenden kann, hier in der Nähe meiner Freunde», sagte der dreimalige Weltmeister. Platz zwei im allerletzten Wettkampf hinter seinem Bruder Christoph waren noch einmal ein Coup.
In Reihe 1 schaute ein ganz Großer zu: Basketball-Superstar LeBron James. Der 33-Jährige ist für ein paar Tage in Berlin, er und Harting haben den selben Ausrüster. Zuvor hatte der NBA-Profi dem Diskuswerfer ein Trikot seines Clubs Los Angeles Lakers geschenkt.
Vor seinem neuen Leben ganz ohne Leistungssport ist Harting nicht bange – am Montag wird der Diskuswurf-Olympiasieger wohl schon wieder Pläne schmieden. Von (s)einer Zukunft ohne Training und Wettkämpfe, er hat noch sehr viel vor: Familie, Kinder, die Eltern, das Studium, ein Job.
«Ich mache im nächsten Jahr erst mal die Uni fertig. Dann habe ich einen Master-of-Arts-Abschluss in Gesellschafts- und Wirtschaftskommunikation. Dadurch steht mir allerhand offen – man ist eine gute Allzweckwaffe und auch ein bisschen ein Generalist», erzählte Harting in einem Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur.
Der 2,01-Meter-Mann mit dem Vollbart hat, so scheint’s, hunderte Interessen und noch mehr Ideen. «In den nächsten zehn Jahren habe ich nicht vor, mich nur auf eine Sache zu fokussieren oder an einem Projekt zu arbeiten. Ich weiß genau, wo ich noch in meine Fähigkeiten investieren muss», sagt Harting. «Für Sachen, die ich machen möchte, kommt ein klassischer Bürojob nicht in Frage.» Trainer will er auch nicht werden. Und ein Comeback ist erst recht kein Thema.
Frische Luft und unter Menschen sein, reisen, beobachten, überlegen, zweifeln, streiten – das ist schon eher etwas für ihn. «Mein Ziel ist es», betont Harting, «Sachen zu machen, die etwas verändern und nicht austauschbar sind. Ich brauch‘ halt Antriebe!»
Nach seinen drei Sternstunden wurde er mal gefragt, nach seinen Momenten für die Ewigkeit. Olympia-Gold natürlich, dann der WM-Titel 2009. Das war auch in Berlin, nach dem Triumph zerriss sich der Local Hero martialisch das Deutschland-Trikot. Eine Jahrhundert-Szene. Doch das macht er schon lange nicht mehr. Die Oma fand es gar nicht gut.
Und dann die Nummer mit US-Sprinter Justin Gatlin, im Herbst 2014. Weil er mit dem früheren Dopingsünder auf einer Liste stand, kandidierte Harting nicht für die Wahl zum «Welt-Leichtathleten». Stolz ist er bis heute auf die Wirkungskraft seiner Entscheidung: Ex-Doper wurden fortan vom Weltverband IAAF nicht mehr nominiert.
Im Herbst macht er endlich Urlaub mit seiner Frau Julia. Und dann muss er zum Arbeitsamt, das er noch nie von innen gesehen hat. Denn die Bundeswehr, seit Jahren einer seiner wichtigsten Sponsoren, entlässt den Sportsoldaten zum 30. September wie erwartet.
Doch auch andere deutsche Asse standen bei der 77. Auflage des Meetings noch einmal im Fokus. Gut drei Wochen nach der Heim-EM konnten Speerwurf-Europameister Thomas Röhler und Kugelstoßerin Christina Schwanitz Siege feiern. Hochsprung-Held Mateusz Przybylko und Speerwurf-Europameisterin Christin Hussong wurden Zweite.
Fotocredits: Soeren Stache
(dpa)