Sevilla – Der bestens aufgelegte Jupp Heynckes schrieb Autogramme, posierte für Familienfotos und scherzte über alte Fußballerzeiten.
Unter dem Kommando des Triple-Trainers will der FC Bayern wie zuletzt im Triumphjahr 2013 endlich wieder in Spanien bestehen. Nach der Münchner Torparty beim 6:0 gegen Borussia Dortmund soll der FC Sevilla im Viertelfinale der Champions League nicht der nächste Club aus der Primera División sein, der einen schmerzhaften Königsklassen-K.o. des deutschen Fußball-Rekordchampions besiegelt. «Viermal sind wir rausgeflogen gegen Spanier, Jupp kennt die Spanier aus dem Effeff», sagte Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge.
Heynckes erinnerte am Vorabend des Spiels bei erwarteter «toller Fußballatmosphäre» sehr gerne an seine Final-Qualifikationen in den Jahren 2012 und 2013 – gegen Real Madrid und den FC Barcelona. «Was in den letzten vier Jahren geschehen ist, ist für mich Vergangenheit und hat für mich keine Bedeutung», sagte der 72-Jährige.
Die Bayern brauchen am Dienstag (20.45 Uhr) und eine Woche später in München für das «Traumziel» Halbfinale «zwei fantastische Abende», wie Rummenigge es formulierte. Und eben ein Ende des Spanien-Fluchs: Real (2014), Barcelona (2015), Atlético Madrid (2016) jeweils im Halbfinale und nochmals Real vor einem Jahr im Viertelfinale waren jeweils die Endstation. «Bei der Statistik darf man nicht arrogant oder gar überheblich dahingehen», mahnte Rummenigge, bevor er zum Charterflieger mit der Nummer LH2570 nach Andalusien schritt.
Der letzte Sieg in Spanien liegt fünf Jahre zurück: Auf dem Weg zum Titelgewinn jubelten die Heynckes-Bayern gegen Barça. «Wir denken nicht über andere Spiele und andere Jahre nach. Wir wollen natürlich gerne wieder die Champions League gewinnen, wir möchten dieses Gefühl wieder haben», sagte Mittelfeldstabilisator Javi Martínez.
Doch dazu müssen sich die Bayern weiter steigern. «In der Champions League spielen absolute Topteams, und es ist schwieriger als 2013», betonte Heynckes, der kurz vor dem Flug noch locker mit dem früheren Bayern-Kapitän Werner Olk plauschte. In seiner insgesamt vierten Champions-League-Saison will Heynckes nach 1998, 2012 und 2013 zum vierten Mal ins Endspiel. Spekulationen über den neuen Bayern-Trainer, den Rummenigge im April verkünden will, oder Wechselgerüchte wie die um Robert Lewandowski und Real Madrid müssen die Münchner auf ihrer Titelmission ausblenden.
Vor dem Start in die heißen Wochen wies Heynckes sein Ensemble um die zuletzt angeschlagenen Rückkehrer Arturo Vidal und Juan Bernat klar darauf hin, was er von jedem Einzelnen erwartet. Die Saison und die eigene Abschiedstournee sollen ein glorreiches Ende finden. «Das ist eine Message, die angekommen ist», urteilte der Spanien-Experte Heynckes, der als Trainer bei Real Madrid, CD Teneriffa und zweimal bei Athletic Bilbao arbeitete. Seine Ligabilanz gegen Sevilla: fünf Siege, drei Remis, vier Niederlagen.
Das 6:0-Torschusstraining gegen den desaströsen BVB war das perfekte Warmup der Münchner für im Idealfall noch 13 Spiele und drei Titel. «Jetzt beginnen die Wochen, für die man die ganzen Vorbereitungen absolviert, im April geht’s um alles», sagte Thomas Müller, der wie Lewandowski (3), James Rodríguez und Franck Ribéry gegen die Borussia traf.
Die Spanier um Torjäger Wissam Ben Yedder, der mit acht Treffern hinter Cristiano Ronaldo (12) auf Platz zwei in der Torschützenliste liegt, werden die Bayern im Estadio Ramón Sánchez Pizjuán vor über 42.000 Zuschauern nicht wie Dortmund nach Belieben tricksen lassen. «Meine Spieler wissen, dass im Viertelfinale ganz andere Kaliber warten», sagte Heynckes. Beim 2:2 am Wochenende gegen Barcelona zeigte Sevilla, was es kann. Fünf Titel in UEFA-Cup und Europa League sprechen für sich. «Sie haben Geschichte geschrieben in der Europa League», sagte Martínez.
Anders als seine Nachfolger und Vorgänger Pep Guardiola und Carlo Ancelotti will sich Heynckes nicht in Spanien stoppen lassen. «Wir wissen, wie gut Sevilla ist und dass wir nur mit einer gewissen Art und Weise, fußballerisch und mit dem, was im Kopf abgeht, die Chance haben, die Champions League zu gewinnen», sagte Verteidiger Mats Hummels. Und Heynckes weiß ja, wie’s geht – wenngleich ein neuerlicher Titeltriumph für ihn eine «absolute Sensation» wäre.
Fotocredits: Sven Hoppe,Sven Hoppe
(dpa)