Paris – Kaum war der Abpfiff ertönt, rannte Unai Emery mit zusammengekniffenem Mund Nach der 1:2-Heimpleite seines Vereins Paris Saint-Germain gegen Titelverteidiger Real Madrid schnurstracks in die Kabine.
Die erneute Niederlage nach dem 1:3 im Hinspiel besiegelte das Aus im Achtelfinale der Champions League. Der Fußball-Trainer wird wohl spätestens zu Saisonende gehen müssen. Sein Vertrag läuft nach zwei Jahren ohnehin aus. An der Seine geht nun aber auch die Angst um, dass die Ölscheichs aus Katar, die das «Projekt Paris» seit 2011 mit vielen Hunderten Millionen Euro finanzieren, den Geldhahn zudrehen. Kaum ein Blatt titelte treffender als das spanische «Mundo Deportivo»: «Scheich matt».
Der Emir von Katar, Scheich Tamim bin Hamad Al Thani, verließ die Ehrentribüne nach dem Platzverweis von Marco Verratti schon Mitte der zweiten Halbzeit sichtlich enttäuscht, wie der Radiosender RMC berichtete. Die rund 400 Millionen Euro, die er erst vorigen Sommer für Superstar Neymar und «Wunderkind» Kylian Mbappé ausgab, zahlten sich (noch?) nicht aus. Dass der am Fuß verletzte Neymar im Rückspiel fehlte, wird den Emir kaum trösten. Seine «rechte Hand», PSG-Club-Boss Nasser al-Khelaifi, beteuerte, man werde in Zukunft weiterhin auf die beiden Stürmer bauen. Emery erwähnte er nicht.
Der Trainer sagte nach dem Spiel, über seine persönliche Zukunft wolle er noch nicht nachdenken. Falls er auf Unterstützung im Kreis seiner millionenschweren Schützlinge gehofft hatte, werden die Worte von Weltmeister Julian Draxler den Spanier schnell eines Besseren belehrt haben. Der 24-Jährige zeigte im Interview des ZDF kein Verständnis dafür, dass der Coach sich mit seiner Einwechslung bis zur 76. Minute Zeit ließ. «Ich war überrascht und ein bisschen sauer.» Das Portal «Sports.fr» hat keine Zweifel: «Die Zukunft von Emery findet nicht in Paris statt», hieß es kategorisch.
Dem 46 Jahre alten Basken werden fast genau ein Jahr nach dem 1:6-Desaster in Barcelona nicht nur die schlechten Ergebnisse, sondern auch viele taktische und personelle Fehlentscheidungen angelastet. Auch Bundestrainer Joachim Löw wunderte sich auf der Tribüne über die taktische Ausrichtung der Pariser, mit drei eher defensiven Mittelfeldkräften, die die Offensivabteilung mit Edinson Cavani, Angel de Maria und Mbappé kaum in Szene setzen konnten.
In Frankreich herrschte derweil kaum Mitleid mit den Parisern. Ganz im Gegenteil: Das Millionärs-Ensemble wurde von Medien, aber auch von Fans und Profis anderer Clubs mit Häme überschüttet. Senegal-Nationalspieler Issa Cissokho von SC Amiens twitterte: «Wenn die Schiris nicht so pfeifen wie in der Ligue 1 ist es zwangsläufig ausgeglichener.» «Tout ça pour ça» («Das alles für das») titelte die Sportzeitung «L’Equipe» wohl auch mit Blick auf die teuren Spielereinkäufe. «Paris verloren», bilanzierte «Le Parisien». Die Niederlage zeige die derzeitigen Grenzen von PSG auf.
Die südfranzösische Zeitung «La Provence» machte sich über «La Degringolada», so etwas wie den «chaotischen Untergang» von PSG lustig. Das Blatt widmete dem aus Marseille stammenden Real-Trainer Zinedine Zidane sogar eine Lobeshymne in Gedichtform. Bei der Suche nach einem Emery-Ersatz steht «Zizou» übrigens nach Medienberichten neben dem früheren Barcelona-Trainer Luis Enrique und Brasilien-Coach Tite ganz oben auf der «Wunschliste» der Ölscheichs.
Zidane saß wegen des frühen Aus der Königlichen im nationalen Pokal und des schlechten Abschneidens in der Primera División, wo man der Titelverteidigung bei 15 Punkten Rückstand auf Tabellenführer Barcelona bereits ade gesagt hat, lange auf dem Schleuderstuhl. Doch zum richtigen Zeitpunkt beweist er Qualitäten eines Stehaufmännchens. Nach den zwei Champions-League-Titeln in Serie und dem Formtief seiner Schützlinge ist er wieder obenauf. «Eine neue Meisterleistung von Zidane», lobte die Zeitung «Marca».
In der Tat: Dass der Coach in der mutmaßlichen Hölle von Paris Leistungsträger wie Gareth Bale, Isco, Luka Modric und Toni Kroos auf der Bank ließ und dafür junge Leute wie Asensio und Lucas Vázquéz ins Feld schickte, zeugt von Charakter. Die Rechnung ging auf, Madrid setzte sich souverän durch und hätte auch deutlich höher gewinnen können. Drei Mal rettete der Pfosten den guten PSG-Torwart Alphonse Areola. In der Kabine umarmte der Coach stolz und sichtlich bewegt jeden einzelnen seiner Spieler.
Das Erfolgsgeheimnis laut Zidane: «Wir glauben an das, was wir machen.» Kroos, der nach einer Bänderdehnung im linken Knie in den letzten 20 Minuten ein gutes Comeback feierte, twitterte: «Next round and back in business. Good day.» Freude, aber keine Spur von Euphorie bei den Madrileños. Kapitän Sergio Ramos erklärt: «Wir haben noch nichts gewonnen.» Bescheidenheit ist am Bernabéu Trumpf.
Fotocredits: Francois Mori
(dpa)