Pyeongchang – Als die Frage nach ihrem neuen Superstar-Status fiel, blickte Ester Ledecka durch ihre verspiegelte Skibrille und antwortete zugleich zurückhaltend und begeistert. Sie fühle sich nicht so, sagte die Tschechin zwar. Aber: «Es hört sich gut an.»
Mit ihrem Snowboard-Gold vor ihren deutschen Konkurrentinen Selina Jörg und Ramona Hofmeister schrieb Ledecka in Pyeongchang Sportgeschichte. Die Sensationssiegerin des Super-G ist die Erste, die bei Winterspielen olympische Medaillen auf Ski und dem Snowboard gewann. Sie ist nun eine von nur fünf Sportlern, die bei Winterspielen Olympiasieger in zwei verschiedenen Disziplinen geworden sind. Ihre sportlichen Auftritte in Südkorea waren schlicht grandios.
Ihre Extraklasse ist jedoch gepaart mit einer Portion Extravaganz. Die 22-Jährige saß mit ihrem Team perfekt gestylt und geschminkt vor der Weltpresse, ihre zwei Medaillen hatte sie mit auf das Podium gebracht. «Ich sehe mich selbst nicht als Vorbild, ich bin kein gutes Beispiel. Ich bin zu verrückt», sagte sie.
Am Vortag war Ledecka nach dem Triumph auf dem Snowboard wie schon nach ihrem Super-G-Sieg mit ihrer Skibrille im Pressezelt erschienen, die Hälfte des Gesichts war verdeckt. Es mache keinen Sinn, für Make-up früher aufzustehen, argumentierte Ledecka. Und setzte die Brille auch nach dem Hinweis nicht ab, dass es keinen störe, wenn sie nicht hergerichtet sei: «Ihr müsst euch daran gewöhnen.»
Mit ihrem Coup im Ski alpin hatte sich Ledecka nach eigenen Worten selbst überrascht. Wie sie fassungslos und stocksteif da stand, als um sie herum alle ausflippten, ist einer der speziellen Momente von Pyeongchang. Ihr Snowboard-Gold kam erwartungsgemäß. Im Ziel des Parallel-Riesenslaloms wusste sie sofort, dass sie gewonnen hatte.
Trotz allen Hypes war es Ledecka gelungen, sich rechtzeitig von einer Sportart auf die andere umzustellen. Auch Jörg und Hofmeister konnten ihre Show nicht stoppen. «So eine Person gibt es nicht zweimal auf der Welt, würde ich sagen», erklärte Hofmeister. Die im Finale unterlegene Jörg fand es schlicht «unfassbar». Die tschechische Zeitung «Pravo» titelte in ihrer Onlineausgabe: «Phänomenal! Die Königin der Winterspiele ist eine Tschechin».
Ihren Opa, der 1964 und 1968 Olympia-Medaillen im Eishockey holte, bezeichnet Ledecka als große Inspiration. Ihr Vater Jannek Ledecky ist in Tschechien ein Popstar, bekannt vor allem durch seine Lieder für die Weihnachtszeit. Ausführlich bedankte sich Ledecka bei ihren Eltern, die ihr mit der finanziellen Unterstützung ihren Traum von Weltklasse in zwei Sportarten ermöglicht hatten. «Es hat ein bisschen gedauert, bis ich davon leben konnte», sagte sie.
Ihr Bruder Jonas zeichnet Comics und plant seine Schwester in einer Hauptrolle für seine Geschichten ein. Abwechselnd tritt Ledecka im Weltcup auf dem Snowboard und im Ski alpin an. Auf dem Snowboard ist Hofmeister die Einzige, die sie in diesem Winter einmal bezwang. «Das Besondere an der Ester ist ihr unfassbarer Fokus», beschrieb Anke Wöhrer, Olympia-Zweite von Sotschi, das Geheimnis. Ledecka, sagte sie, esse viel Schokolade, das sei ihr Doping. «So lange Leute Spaß haben und zu ihren Entscheidungen stehen, kann das jeder schaffen.»
Menschlich waren Ledeckas Pläne, nach zweimal Gold und ihrer Rolle als Fahnenträgerin Tschechiens bei der Schlussfeier nach Hause zu reisen, sich ins Bett zu legen und zu schlafen. Ehrgeizig klang ihr sportliches Vorhaben: «Ich werde mich ganz sicher noch weiter pushen», sagte sie. «Es gibt keine Grenzen.» Dass sie für einen Olympia-Start im Windsurfen trainiere, war dann aber doch ein Scherz.
Fotocredits: Michael Kappeler
(dpa)