Pyeongchang – Ausgelaugt, krank, einfach nicht fit: Nach der verheerenden Serie von Olympia-Enttäuschungen macht sich im Lager der deutschen Eisschnellläufer Krisenstimmung breit.
Noch kann Sprinter Nico Ihle in Pyeongchang über 1000 Meter für eine Aufhellung der miserablen Bilanz sorgen, doch den unverkennbaren Abwärtstrend wird auch der Chemnitzer damit nicht stoppen können.
Nur drei achte Ränge als beste Platzierungen in den Einzelrennen sind weit weniger, als erwartet wurde. Das Negativ-Ergebnis von Sotschi 2014 mit der ersten Olympia-Nullnummer seit 50 Jahren könnte noch einmal getoppt werden. Und dabei sorgten für diese Ränge in Ihle, Patrick Beckert und der am Donnerstag 46 Jahre alt gewordenen Claudia Pechstein genau jene drei Athleten, die mit eigenem finanziellen Risiko außerhalb der von Chefcoach Jan van Veen betreuten Auswahl trainieren.
Spordirektor Robert Bartko stellte sich jedoch demonstrativ vor den Niederländer. «Ich sehe nicht die Alleinschuld beim Bundestrainer. Die Personalfrage zu stellen, ist unseriös», erklärte er im ZDF-Interview. Doch allein den Athleten die Schuld für ihre schlechte Form zuweisen? Auch das scheint nicht die feine Art. Es stünden einige junge Athleten im Team, die bisher in der zweiten Reihe agierten und nun lernen müssten, mit dem Druck umzugehen, meinte Bartko. Damit scheint sich der Sportdirektor die Antwort aber zu leicht zu machen. In Hollands Team lief in Esmee Visser eine Athletin, die im November erstmals im Weltcup startete und in Gangneung vor Nervenstärke nur so strotzte und die 5000 Meter gewann.
Natürlich werde nach Olympia «alles auf den Tisch» kommen – was soll Bartko sonst auch sagen? Doch ein Rezept hat derzeit niemand in der Schublade. Daher konnte der für den Leistungssport verantwortliche Bartko nur einräumen: «Wir sind den Erwartungen nicht gerecht geworden.» Das hatte auch Jan van Veen zuvor mehrfach selbstkritisch angemerkt. «Wir wussten, dass wir nicht viele Medaillenchancen haben. Aber wir wollten hier Bestleistungen laufen. Das ist nicht passiert.»
Nach insgesamt acht Podestplätzen im Weltcup-Winter waren die Deutschen in der Stunde der Entscheidung weit von Bestform entfernt. Mentale Probleme mögen aber nur ein Grund der Misere sein. Die Zersplitterung der Trainingsgruppen, der seit Jahren ausbleibende Nachwuchs, der die Etablierten fordert – all das sind Themen, die schon nach Sotschi als Problemfelder erkannt wurden. Präsident, Sportdirektor und Cheftrainer wurden ausgetauscht – verbessert hat sich nichts.
Fokussiert geht Nico Ihle dennoch in sein letztes Olympia-Rennen am Freitag. «Bei den 1000 Metern kann ich auch mal einen kleinen Fehler korrigieren. Das Feuer brennt bei mir immer noch», sagte der Chemnitzer. Und sein langjähriger Trainer Klaus Ebert gibt ihm aus der Heimat mit auf den Weg: «Er sollte volles Rohr in die Kurve gehen, um Geschwindigkeit zu entwickeln. Durch die Zurückhaltung gerade in der Kurve hat er über 500 Meter vielleicht ein paar Zehntel liegenlassen.»
Bei den Olympischen Winterspielen in Peking will Nico Ihle 2022 vielleicht schon als Trainer an der Bande stehen. Ob er dann eine ähnliche Misere der Deutschen wie im Gangneung Oval verhindern kann? Gesprochen hat bislang mit ihm noch niemand aus der DESG-Führung über seinen Berufswunsch. Genauso wie auch noch keiner nachgefragt hat, ob nicht der 66 Jahre alte Ebert noch eine Saison als Honorar-Trainer dranhängt, damit Ihle wenigstens bis zur Heim-WM in Inzell nicht gänzlich ohne Betreuer dasteht. Aber vielleicht kommt auch das nach Olympia auf den Tisch.
Fotocredits: Soeren Stache
(dpa)