Pyeongchang – Von einem engagierten Nein bis zu Resignation – so ist die Bandbreite der Meinungen im deutschen Team zu dem sportpolitischen Thema dieser Winterspiele. Soll Russland vor der Schlussfeier wieder als IOC-Mitglied aufgenommen werden?
Skicrosser Paul Eckert hält nichts davon, dass die Russen hinter ihrer Fahne zur Schlussfeier einziehen und ihre nationale Kleidung tragen dürfen. «Ich würde sagen, sie sollen so, wie sie gekommen sind, auch die Spiele verlassen. Sie sollen jetzt nicht unbedingt wieder mit ihren russischen Klamotten einlaufen dürfen», sagte er in Pyeongchang.
Auch Bob-Olympiasieger Francesco Friedrich hält nichts davon, die 168 russischen Athleten, ihre Trainer und Betreuer am Sonntag im Olympiastadion (12.00 Uhr/MEZ) hinter ihrer Fahne einlaufen zu lassen. «Das geht mir zu schnell. Schließlich ist wieder ein Dopingfall aufgekommen», meinte der Sachse. «Man sollte das mal sacken lassen.»
Die Teamleitung der «Olympischen Athleten aus Russland» hatte am Dienstag bestätigt, dass auch die B-Probe des russischen Curlers Alexander Kruschelnizki auf das verbotene Mittel Meldonium positiv ausgefallen sei. Der Bronzegewinner im Mixed-Wettbewerb bestreitet die Einnahme der verbotenen Substanz.
Alfons Hörmann, Präsident des Deutschen Olympischen Sportbundes, sagte auf dpa-Anfrage: «Damit wird eine eventuelle Wiederaufnahme des NOK Russlands wohl von der breiten Öffentlichkeit noch kritischer bewertet als das bereits bis jetzt der Fall war.»
Der Dopingfall Kruschelnizki dürfte die Beratung im IOC-Exekutivkomitee über ein Ende der Suspendierung des russischen NOK am Samstag beeinflussen. Grundlage für die Entscheidung der Exekutive werden die Erkenntnisse der Bewertungskommission unter dem Vorsitz von Nicole Hoevertsz sein.
Statt den Bann aufzuheben, sollte man nach Ansicht von Bob-Pilot Friedrich auch nach den Spielen in Pyeongchang konsequent weiter Doping-Kontrollen bei den Russen vornehmen. «Dann wird man dazu kommen, Russlands Athleten durchgängig sauber an den Start zu bringen», sagte er. Bis zu den Sommerspielen 2020 in Tokio werde sich bei den Russen einiges tun, «weil sie wissen, worum es jetzt geht».
Biathlon-Bundestrainer Mark Kirchner hat nach dem monatelangen Wirrwarr in Folge des Doping-Skandals rund um den Olympia-Start einzelner sauberer Russen kapituliert. «Dieser ganze Kindergarten: Keiner weiß mehr, wer was sagt und entscheidet», sagte er. «Da verschwende ich keine Kraft dran.» Und auch Hermann Weinbuch, sein Trainer-Kollege bei den Nordischen Kombinierern resigniert fast. Er traut sich jedenfalls «kein Urteil zu».
Russische Medien haben offenbar jede Hoffnung auf Rehabilitation vor der Schlussfeier verloren. «Das Ausland lacht hämisch über uns. Keine Goldmedaillen, und jetzt auch noch die Doping-Geschichte mit Kruschelnizki», schreibt die Zeitung «Sport-Express». Es sei programmiert, dass das russische Team auch zum Olympia-Abschluss unter neutraler Flagge auftreten müsse. Sportminister Pawel Kolobkow hofft hingegen, «dass diese Situation keine Auswirkungen auf die Rückkehr des Russischen Olympischen Komitees in das IOC hat».
Russlands Curling-Trainer Sergej Belanow lässt unterdessen im Interview mit der Tageszeitung seinem Zorn freien Lauf: «Es ist eindeutig eine Provokation gegen die Russen.» Es herrsche Krieg wie in Syrien, schimpfte er. Auch die Moskauer Zeitung «Moskowski Komsomolez» greift zu solch einem Vergleich: «Der Kampf um die Nationalsymbole scheint an allen Fronten ausgetragen zu werden.»
Fotocredits: Mike Egerton
(dpa)