Pyeongchang (dpa) – Martin Hyun geht die koreanische Geschichte nahe. Der 38 Jahre alte gebürtige Krefelder ist Rheinländer durch und durch, doch wenn das geeinte koreanische Frauen-Eishockeyteam bei Olympia spielt, weckt dies auch bei ihm Emotionen.
«Das berührt mich sehr, hier ein gesamtkoreanisches Team auf dem Eis zu sehen», sagte der ehemalige Profi der Krefeld Pinguine der Deutschen Presse-Agentur vor dem letzten Turnierspiel von Team Korea am Dienstag (04.10 Uhr MEZ) gegen Schweden in Pyeongchang.
Hyun, Sohn von zwei nach Deutschland ausgewanderten Südkoreanern, organisiert als sporttechnischer Leiter die Eishockey-Turniere der Frauen und Männer. 2015 kam er in das Land seiner Eltern und hätte damals niemals daran gedacht, bei Olympia ein Frauenteam spielen zu sehen, in dem Nord- und Südkoreanerinnen zusammen spielen.
Inzwischen gehen seine Emotionen für Korea so weit, dass er ein ganz besonderes Symbol für Korea bewahrte – den «Nations Puck». Als Randi Heesoo Griffin, eine US-Amerikanerin mit koreanischer Mutter, in der Vorrunde beim 1:4 gegen Japan traf, gab es bei Hyun kein Halten mehr. Das erste – und bislang einzige – Tor eines gesamtkoreanischen Teams bei Olympia wollte er unbedingt dokumentiert wissen.
«Die Schiedsrichterin wollte den Puck wieder einwerfen. Ich bin dann hingesprintet und habe gerufen: ‚Stop, Stop. Wir brauchen den Puck.» Die deutsche Schiedsrichterin Nicole Hertrich verstand und übergab den Puck, der nun in der Eishockey-Ruhmeshalle, der berühmten «hall of fame» in Toronto ausgestellt werden soll. «Das musste ich unbedingt machen. Das ist ja ein historischer Puck», rechtfertigte sich Hyun. Normalerweise sichern sich die Spieler in solchen Momenten selbst das Spielgerät. «Ich habe aber mit Randi gesprochen. Ich habe ihr gesagt: ‚Das ist der Nations Puck.’» Für Griffin kein Problem. Sie antwortetet: «Ich bin stolz, ein Teil davon sein zu dürfen.»
Bei vielen Koreanern dürfte das geeinte Team indes auch alte Wunden aufgerissen haben. «Der Krieg hat viele Familien zerstört. Auch bei meinen Eltern. Die Väter sind früh durch den Krieg gestorben», sagte Hyun. «Viele Millionen Menschen sind einfach verschwunden und getötet worden.» Den Schmerz in seiner eigenen Familie hat Hyun ausgeblendet.
2017 hatte er ein prägendes Treffen mit dem Co-Trainer Nordkoreas. «Da hat sich eine Freundschaft entwickelt. Wir haben uns am Ende brüderlich umarmt und gesagt: Wir sehen uns irgendwann wieder. Das war für mich sehr bewegend», sagte Hyun, der die Schattenseite des Projekts nun auch erlebt. Sein neuer Freund durfte nicht mit über die Grenze. Kontakt ist weiterhin nicht möglich.
Zuletzt hatte die kanadisch-amerikanische Trainerin des koreanischen Teams, Sarah Murray, offenbart, dass die Spielerinnen aus Nordkorea streng bewacht werden. Es gibt getrennte Busse und getrennte Gebäude zum Schlafen. Die Mahlzeiten nehmen die Spielerinnen zwar als Team gemeinsam ein. Doch auch dann sitzen stets Aufpasser mit am Tisch.
Angesprochen darauf bleibt Hyun diplomatisch: «Politik machen die Politiker. Da habe ich mich immer rausgehalten.» Das Team aber sei etwas wundervolles, ein Zeichen. «Es gibt ein gesamtkoreanisches Lied: ‚Unsere Sehnsucht ist die Wiedervereinigung.‘ Dieses Lied kennt jeder im Norden oder Süden», sagte Hyun ergriffen. Sentimental fügte er hinzu: «Im Herzen wissen wir schon, wie die Geschichte Koreas ausgehen wird. Aber das ist wie bei allem eine Frage der Zeit.»
Nach dem Willen des Weltverbands-Chef Rene Fasel soll die Geschichte des geeinten koreanischen Frauenteams auch nach Olympia weitergehen. «Einfach, um das gemeinsame Team zu behalten und es als Botschaft des Friedens zu haben», sagte der Schweizer am Montag in Pyeongchang. «Wir müssen nun zum IOC gehen und das auch mit Nordkorea besprechen.»
Ein Teil von Olympia – damit ist für Hyun bald Schluss. Auch wenn ihn sein «großes Abenteuer» zurück zu seinen koreanischen Wurzeln geführt hat, will er mit seiner Frau nach den Spielen wieder zurück nach Deutschland: «Wir haben Sehnsucht nach Berliner Schrippe und Konopke-Currywurst.»
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