Pyeongchang – Selbst für ihre Eltern hatte Laura Dahlmeier bisher noch keine Zeit. Zu groß ist der Olympia-Stress der Ausnahme-Sportlerin in Pyeongchang.
«Ich habe sie zum Glück mal gesehen, aber eher zufällig beim Joggen», erzählte die Doppel-Olympiasiegerin vor dem Massenstart am Samstag (12.15 Uhr MEZ) im Alpensia Biathlon-Center. «Wann soll ich das machen?», fragt die 24-Jährige. «Ich komme ins Ziel, muss mich schnell umziehen», beschrieb die siebenmalige Weltmeisterin die minuziös durchgetakteten Abläufe nach den Rennen. «Dann die Mixed-Zone, die ist unheimlich lang. Auch wenn es nur 60 Sekunden sind, aber bei 20, 25 Fernsehsendern ist es echt weit.»
Immerhin hat sie noch Zeit ihren Fans zu danken. Nach dem Gewinn der Bronze-Medaille im Einzel postete sie auf Facebook eine emotionale Grußbotschaft: «Einfach unglaublich! Drittes Rennen, dritte Medaille! Ohne euch wäre das nicht möglich gewesen! Dankeeeee.»
Olympia ist das Größte im Leben eines Athleten – und mit ihren herausragenden Leistungen hat sich Deutschlands Sportlerin des Jahres längst in den Geschichtsbüchern verewigt. Doch den viel beschriebenen olympischen Spirit, der für viele das Zusammenkommen von tausenden Sportlern aus der ganzen Welt so einmalig macht, hat die junge Bayerin in Südkorea noch nicht zu 100 Prozent erlebt. Dafür steigt aber ihr Marktwert.
«Von Olympia kriege ich leider gar nichts mit», sagt die Garmisch-Partenkirchnerin. Nachdem sie sich bei ihren ersten Spielen vor vier Jahren in Sotschi noch wie auf einem «Abenteuerspielplatz» fühlte und alles aufsog, sieht es nun anders aus. Zu vollgepackt ist der Terminkalender mit insgesamt sechs Wettkämpfen, Trainingseinheiten, Interviews, Siegerehrungen und Physiotherapie.
«Wenn wir nicht irgendwie deutsches Fernsehen streamen könnten, würde wir überhaupt nichts mitbekommen. Andere Wettkämpfe anschauen geht nicht, weil jeden Tag Training ansteht», sagt Dahlmeier. Einziger Trost: «Wir wohnen zumindest im olympischen Dorf, haben da ein bisschen olympisches Flair und treffen ein paar andere Athleten.»
Parallelen tun sich auf zu Magdalena Neuner. In Vancouver 2010 stieg die Rekord-Weltmeisterin endgültig zum deutschen Sport-Star auf. Nur genießen konnte sie ihr Doppel-Gold nicht uneingeschränkt. Jeder habe an ihr gezerrt, was gewollt, erinnerte sich die 30-Jährige. Das sollte nun das große Olympia sein? Für Neuner war es das nur bedingt, und die für sie negativen Erfahrungen waren auch ein Auslöser für ihr frühes Karriereende mit gerade mal 25.
Auch für Dahlmeier könnten ihre zweiten Spiele ihre letzten sein. Denn die passionierte Bergsteigerin mag es überhaupt nicht, fremdbestimmt zu sein. Das aber bringen die Mechanismen in der Sportwelt mit sich. Allem kann sie sich nicht entziehen und tut es auch nicht. Ein mögliches frühes Karriereende wie einst bei «Gold-Lena» ist ihr durchaus zuzutrauen. Denn Dahlmeier hat ihre Ziele längst erreicht, Rekorde interessieren sie nicht. Der Biathlon-Sport ist zwar ein wichtiger Teil ihres Lebens. Aber eben nicht der einzige und wichtigste.
Ihre Individualität drückt sich auch darin aus, dass sie mittlerweile wie Frankreichs Superstar Martin Fourcade die Trainingspläne selber schreibt. Nach acht Jahren bei ihrem Heimtrainer Bernhard Kröll, der auch Magdalena Neuner zum Star formte, trainierte sie den Sommer über oft individuell. Mit Erfolg.
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(dpa)