Östersund – Denise Herrmann war schon nach den ersten Schüssen völlig fasziniert. «Das hat mich nicht mehr in Ruhe gelassen», sagte die 28-Jährige nach ihrem ersten Weltcupsieg in Östersund.
2012 hatte sie in Ruhpolding erstmals mit einem Biathlon-Gewehr am Schießstand gelegen, den Wechsel vom Langlauf traute sie sich damals aber noch nicht. Sondern erst 2016, fast vier Jahre später. Nur 19 Monate danach wurde sie für ihren Mut belohnt und katapultierte sich in die Weltspitze. Der große Traum von der Olympia-Teilnahme als Skijägerin könnte in Pyeongchang nun Realität werden.
«Letztes Jahr habe ich mir gedacht: Wenn ich es jetzt nicht mache, dann nie», erzählte Herrmann. Und so verabschiedete sie sich im vergangenen Jahr etwas wehmütig aus dem Langlauf-Team, mit dem sie 2014 noch Staffel-Bronze bei Olympia in Sotschi gewonnen hatte. Sie investierte unzählige Stunden in das Schießtraining, feilte an Waffe und Technik, wurde besser und besser. Das Laufen vernachlässigte sie dabei nie, auch wenn das Gefühl mit der Waffe auf dem Rücken ein anderes war: «Du merkst schon, dass du vier Kilo mit dir herumschleppst, aber ich bin ja nicht so zart gebaut.»
Und das ist jetzt ihr großes Plus. Herrmann ist mit ihren 1,75 Metern enorm athletisch, in beiden Einzelrennen setzte sie in Östersund die Lauf-Bestzeit. Im Sprint konnte sie sich einen Schießfehler leisten und stand trotzdem ganz oben. «Man muss sicher ein bisschen Talent mitbringen», sagte Herrmann, aber man dürfe sich «auch nicht von seinem Weg abbringen lassen». Zweifler gab es viele, schließlich war sie schon 26 Jahre alt, als sie wechselte und sich in der starken Trainingsgruppe in Ruhpolding erstmal hinten anstellen musste. «Da wird einem jeden Tag gezeigt, wo der Hase lang läuft.»
Prominente Vorgängerinnen gab es viele, die wie Kati Wilhelm oder Magdalena Forsberg einst im Langlauf zu Hause waren und dann in der zweiten Karriere richtig durchstarteten. «Ich bin aber keine Kati, ich bin auch keine Evi, sondern ich bin die Denise», sagte Herrmann selbstbewusst. Eine Eintagsfliege soll ihr Erfolg bei Eiseskälte unter Flutlicht nicht bleiben: «Ich will das hohe Niveau halten.»
Wenn das gelingt, kann Herrmann zur Alternative für die deutsche Weltmeister-Staffel werden. Die Norm für Olympia in Südkorea hat sie locker erfüllt, doch pro Rennen gibt es nur vier Startplätze. «Ich bin jetzt sicher schon mal gut dabei, aber der Druck ist sehr hoch», sagte Herrmann. Denn jede aus dem Team des Deutschen Skiverbandes sei in der Lage, fast immer weit vorne zu landen.
Vor allem natürlich die siebenmalige Weltmeisterin Laura Dahlmeier, die in Östersund wegen einer Erkältung fehlte. Erst in der kommenden Woche in Hochfilzen wird die 24-Jährige in die Saison einsteigen – und plötzlich auf eine neue Siegläuferin im eigenen Team treffen. «Man muss vielleicht mal mit Rückschlägen rechnen, aber bei guten Bedingungen kann Denise solche Leistungen noch mehrfach abrufen», sagte Frauen-Bundestrainer Gerald Hönig. «Es ist wirklich erstaunlich, wie schnell sie an die Weltspitze gekommen ist.»
Am Sonntag geht Herrmann nun erstmals als Gejagte mit 15 Sekunden Vorsprung in den Verfolger. «Das wird eine ganz neue Erfahrung. Ich weiß noch gar nicht, wie ich damit umgehen soll.»
Fotocredits: Tobias Nykänen
(dpa)