Inzell – 45 Jahre und immer noch chancenreich. Woher nimmt Claudia Pechstein ihre Motivation, sich gegen Gegnerinnen durchzusetzen, die ihre Kinder sein könnten? Für die Berlinerin ist das keine Frage.
«Seit fast neun Jahren währt mein Kampf gegen das erlittene Unrecht durch den Eislauf-Weltverband ISU. Es gibt nichts Schöneres, wenn man wie bei der WM von einem ISU-Chef eine Medaille umgehängt bekommt», sagte die älteste Top-Eisschnellläuferin der Welt unmittelbar vor dem Auftakt ihrer 29. Senioren-Saison.
Derzeit hoff Pechstein, dass ihre Beschwerde gegen das Urteil des Bundesgerichtshofes vom Juni 2016 nun vom Bundesverfassungsgericht angenommen wird. Zuvor war sie in weiteren fünf von sechs Prozessen im Kampf gegen ihre Sperre aufgrund auffälliger Blutwerte (2009-2011) und Schadenersatz-Forderungen gescheitert. «Siegen oder Sterben, ich gebe nicht auf», sagte sie vor den Meisterschaften in Inzell.
Die Berlinerin träumt davon, das Erfolgserlebnis mit WM-Silber von Gangneung bei Olympia zu wiederholen. «Pure Motivation» sei dies, Genugtuung ohne Ende, es der ISU zu beweisen. Es war ihre 61. Medaille bei Olympia, WM und EM. Alles setzt die erfolgreichste deutsche Winter-Olympionikin nun daran, im kommenden Februar über 5000 Meter ihre zehnte Olympia-Plakette (bisher 5/2/2) zu erkämpften.
Pyeonchang sollen ihre siebten Winterspiele werden – und das, obwohl ihr wegen der Sperre die Spiele von Vancouver 2010 «geraubt» wurden – wie sie immer wieder betont. In Inzell gab sie dem Rechte-Inhaber der Winterspiele 2018, Discovery Channel, Interviews für die Serie «Golden Olympic Moments», obwohl sie das Ticket erst erkämpfen muss.
Als Pechstein 1994 in Hamar ihren ersten von fünf Olympiasiegen erkämpfte, waren die meisten ihrer heutigen Gegnerinnen noch nicht geboren. Es mache sie stolz, «dass ich immer noch dabei bin und die Jüngeren mich noch nicht verdrängt haben», sagte die Berlinerin.
Mit einer neuen Generation von Läuferinnen bestreitet Pechstein die Team-Verfolgung, in der die Deutschen nach WM-Platz vier bei Olympia nicht aussichtslos scheinen. Chefcoach Jan van Veen hatte nach den Erfahrungen der WM zugesagt, die Team-Rennen als Schwerpunkt zu betrachten.
Und der Niederländer hielt Wort. Roxanne Dufter und Gabi Hirschbichler richten ihr Training ganz auf das Team aus. «Außer Claudia hat keine unserer Damen in den Einzelrennen eine Medaillenchance in Südkorea. Also ist der Fokus auf die Verfolgung doch ganz normal», bestätigte van Veen. Doch Pechstein bleibt auf dem Teppich: «Jetzt müssen wir uns erst einmal alle für den Weltcup qualifizieren. Dann kann man über Taktik und Aufstellung des Teams reden», mahnte sie.
«Das beste Teambuilding ist das gemeinsame Training. Wir müssen nicht auf einen Berg klettern oder gemeinsam Rudern, um uns gut zu verstehen», sagt Hirschbichler. Teamgeist heiße aber auch, Egoismen in den Hintergrund zu drängen. «Wenn andere besser sind, müssen die laufen. Wir sind ein Team», sagte die Berlinerin Isabell Ost, die noch auf einen Sprung in das Top-Trio hofft.
Fotocredits: Soeren Stache
(dpa)