Austin – Dieses Jubiläum wollte jeder bei Ferrari unbedingt vermeiden, erst recht Sebastian Vettel. Am Samstag wartet die ruhmreiche Scuderia seit nun genau zehn Jahren auf einen weiteren Formel-1-Fahrertitel.
Die Erinnerungen an den damaligen Herzschlag-Triumph von Kimi Räikkönen 2007 sind schon ziemlich verblichen. Auch Vettel hat diese Leidenszeit bislang nicht beenden können, schon am Sonntag könnte sein dritter Anlauf endgültig gescheitert und Mercedes-Star Lewis Hamilton erneut Weltmeister sein. «Wir wollen natürlich mehr als das, was wir jetzt haben», sagte Vettel vor dem viertletzten Saisonrennen in Austin.
Der kapitale Einbruch nach der Sommerpause hat sich wie ein dunkler Schatten über das lange Zeit so hoffnungsvolle Ferrari-Jahr gelegt. Aus 14 Punkten Vorsprung nach Vettels Sieg in Ungarn Ende Juli wurden binnen sechs Wochen 59 Zähler Rückstand auf Hamilton. Die Verunsicherung nach einer Serie technischer Defekte, gefolgt von Wutausbrüchen des Firmenchefs Sergio Marchionne haben das Betriebsklima bei Ferrari vor der Texas-Reise empfindlich gestört.
«Das Team steht enorm unter Druck, besonders in der Heimat. Da lässt man schnell den Kopf hängen», urteilte Formel-1-Sportchef Ross Brawn, einst bei Ferrari das Hirn hinter den fünf WM-Triumphen von Michael Schumacher. Dieser Ära eine neue Zeitrechnung folgen zu lassen, dafür war Vettel nach Maranello gekommen. Das erste Jahr war mit drei Rennsiegen ein guter Start, das zweite ein deftiger Rückschlag. In dieser Saison schien lange fast alles zu passen, Vettel fuhr oft auf Augenhöhe mit Hamilton, ehe plötzlich alles gegen den Hessen lief.
«Ferraris Aufschwung von 2016 zu 2017 war außerordentlich. Das jetzt ist vermutlich auch eine Phase der Entwicklung», sagte Mercedes-Teamchef Toto Wolff, dessen Silberpfeile seit 2014 auch wegen ihrer Standfestigkeit die Branche dominieren. «Sie haben Leistung rausgeholt, jetzt müssen sie noch zuverlässig werden», dozierte Wolff an die Adresse der roten Rivalen.
Damit trifft der Österreicher den wunden Punkt der Scuderia. Wenn wie in Suzuka eine 59 Euro teure Zündkerze den Ferrari von Vettel stoppt, empfindet Fiat-Boss Marchionne das als persönliche Beleidigung. «Dieser technische Nonsens hatte Einfluss auf unser Auto, das Millionen von Euro kostet», wetterte Marchionne und beorderte die Spanierin Maria Mendoza als Aufräumerin in die offenbar mangelhafte Qualitätskontrolle des Formel-1-Teams.
Teamchef Maurizio Arrivabene darf dies getrost als weitere Etappe seiner schleichenden Demontage begreifen. Der frühere Zigaretten-Manager wirkte zuletzt wieder so ratlos und hektisch wie ein Nikotin-Süchtiger auf der Suche nach den verlegten Glimmstängeln. Zum Jahresende droht dem 60-Jährigen mit dem Knittergesicht die Ablösung. Im Sinne von Vettel ist das nicht unbedingt. «Manchmal muss man nur ein paar kleine Nachjustierungen mit den gleichen Leuten vornehmen, und es läuft viel besser», sagte der 30-Jährige.
Vettel stören die emotionalen Ausschläge bei Ferrari, vor allem die häufigen Überreaktionen nach Niederlagen. Der Hesse sieht das Team auf dem richtigen Weg, stellte sich daher auch zuletzt vor seine Crew und will einen erneuten Radikal-Umbau zur nächsten Saison verhindern. «Das Potenzial bei Ferrari ist da, die Leute sind da, das Talent ist da. Jetzt geht es darum, dass wir alle zusammenarbeiten und es zum Erfolg führen», sagte der viermalige Weltmeister, der seinen Vertrag noch vor dem Absturz der Vorwochen bis Ende 2020 verlängert hatte.
Immer wieder wird jetzt auch daran erinnert, das selbst der große Schumacher erst im fünften Ferrari-Jahr Mannschaft und Auto zur Titelreife geführt hatte. «Es ist der Schlüssel, ruhig zu bleiben und sich auf die nächsten Ziele zu konzentrieren», mahnte der damalige Erfolgsbringer Brawn. Geduld und Ruhe allerdings waren noch selten fester Bestandteil der Ferrari-DNA.
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(dpa)