Pau – Marcel Kittel schüttelte bei der Siegerehrung ungläubig den Kopf und konnte seine wahnsinnigen Tour-Tage selbst kaum fassen.
Nach dem Zabel-Rekord holte sich der deutsche Supersprinter am Mittwoch auch die 40 Jahre alte Bestmarke von Didi Thurau mit fünf Etappensiegen bei einer Frankreich-Rundfahrt – und ein Ende ist längst nicht in Sicht. «Ich bin wunschlos glücklich. Das ist eine verrückte Tour für mich. Ich finde immer die geniale Linie. Alles klappt», schwärmte Kittel nach seiner erneuten Sprint-Gala in Pau.
Schon einige Meter vor dem Zielstrich hatte der 29-Jährige fünf Finger in die Höhe gestreckt, so deutlich war erneut seine Überlegenheit. «Ich habe super Beine. Es ist ein geiles Gefühl», sagte er in der ARD. Und ein Ende ist nicht in Sicht. In dieser Form bewegt er sich gar auf den Spuren von «Kannibale» Eddy Merckx, selbst Uralt-Rekorde der Tour de France geraten ins Wanken.
Kittel siegte einen Tag vor dem Einstieg in die Pyrenäen auf der elften Etappe nach 203,5 Kilometern von Eymet nach Pau souverän vor dem Niederländer Dylan Groenewegen und dem Norweger Edvald Boasson Hagen. Damit sind die Hochrechnungen längst im Gange: Wieviele Etappensiege holt der 29-jährige Erfurter noch? Bis zum Tour-Rekord fehlen nur noch drei Tagessiege. Die beiden Belgier Eddy Merckx und Freddy Maertens sowie der Franzose Charles Pelissier (1930) schafften das Kunststück, acht Etappen in einem Jahr zu gewinnen. Im günstigsten Fall ist das auch für Kittel möglich.
Er träumt schon vom Sprint-Sieg auf den Champs Élysées beim Finale am Sonntag in einer Woche: «Natürlich ist das ein großer Traum, ich denke auch dran. Aber wir sind erst bei Etappe elf. Es klingt banal, aber bis Paris ist es noch weit.»
In Pau konnte der Quick-Step-Profi bereits deutlich vor dem Ziel den Sprint ausrollen lassen. Erik Zabel, bis Dienstag noch mit zwölf Etappensiegen deutscher Rekordhalter, ist jedenfalls schwer begeistert. «Es ist eine Freude, ihm zuzusehen, mit welcher Leichtigkeit und Eleganz er seine Siege einfährt. Seine Einstellung muss überragend sein, nicht verbissen und verkrampft. Für mich ist er der neue Cipollini – nur schneller und hübscher», sagte Zabel dem Internet-Portal Radsport-News.
Kittel hat auch beste Chancen als erster Deutscher seit Zabel das Grüne Trikot in Paris zu holen. Mit 335 Punkten liegt er bereits 133 Zähler vor dem Australier Michael Matthews. Dritter ist André Greipel (171), der in Pau Platz sieben belegt hatte. «Ich kämpfe auch auf Bergetappen um das Grüne Trikot. Das wird eine neue Erfahrung für mich.»
Am Donnerstag wird die Kittel-Siegesserie aber vorerst gestoppt, wenn es in die Pyrenäen geht. So nutzten die Topstars die Flachetappe, um ihre Kräfte zu schonen. Froome trug auf dem Weg nach Pau, das bereits zum 69. Mal bei der Tour angesteuert wurde, zum insgesamt 50. Mal das Gelbe Trikot. 18 Sekunden beträgt sein Vorsprung auf den Italiener Fabio Aru, dahinter lässt der Vorjahreszweite Romain Bardet die Gastgeber bei einem Rückstand von 51 Sekunden auf den ersten französischen Toursieg seit 1985 hoffen.
Die elfte Etappe nahm am Mittwoch einen fast altbekannten Verlauf. Drei Ausreißer, darunter der Pole Maciej Bodnar vom deutschen Bora-hansgrohe-Team, bestimmten lange Zeit das Geschehen. Bodnar wurde erst wenige hundert Meter vor dem Ziel eingeholt.
Für Aufregung sorgten unterwegs einige Stürze, dabei kamen auch John Degenkolb und Ex-Sieger Alberto Contador zu Fall. Beide konnten aber weiterfahren – im Gegensatz zu Arus Helfer Dario Cataldo, der mit einer Handverletzung aufgeben musste.
Nach den Pyrenäen-Etappen muss sich Kittel wohl bis Dienstag gedulden, ehe er wieder um einen Etappensieg sprinten kann. Aber bereits jetzt hat er seinen Marktwert auf schätzungsweise zwei Millionen Euro nach oben geschraubt. Quick-Step-Teamchef Patrick Lefevere hat bereits gescherzt, dass er ihn kaum mehr bezahlen könne. Als möglicher neuer Arbeitgeber wird indes das russische Katusha-Alpecin-Team gehandelt.
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(dpa)