Nuits-Saint-Georges – Schier endlose Sekunden harrte Marcel Kittel auf seinem Lenker aus und bangte im Zielbereich um seinen Rekordsieg, dann schrie der Topsprinter auf und reckte drei Finger in die Höhe.
Mit der Winzigkeit von sechs Millimetern Vorsprung setzte der Modellathlet seine Festspiele mit dem dritten Sieg bei der 104. Tour de France fort. «Das war eine Punktlandung. 120 Meter vor dem Ziel war ich erschrocken. Ich war mir im Ziel überhaupt nicht sicher», sagte Kittel. Insgesamt war es sein zwölfter Tour-Etappensieg, womit er die Bestmarke von Geburtstagskind Erik Zabel einstellte.
Insgesamt war es sein zwölfter Tour-Etappensieg, womit er die Bestmarke von Geburtstagskind Erik Zabel egalisierte. «Ich bin glücklich, den Rekord eingestellt zu haben. Ich fahre aber nicht für Rekorde, ich genieße die Momente», erklärte Kittel, der auf dem siebten Teilstück über 213,5 Kilometer von Troyes nach Nuits-Saint-Georges vor dem Norweger Edvald Boasson Hagen in einer Foto-Finish-Entscheidung gewann. Damit schlüpfte er rechtzeitig vor den Bergen auch in das Grüne Trikot. «Am zweiten Ruhetag können wir entscheiden, ob es realistisch ist, das Grüne Trikot ernsthaft in Angriff zu nehmen», sagte der 29-Jährige, der mit 197 Punkten nun 15 Zähler vor dem leicht erkrankten Franzosen Arnaud Démare liegt.
Kittels Teamchef Patrick Lefevere war nach dem nächsten Coup hellauf begeistert. «Er ist ein Supertalent. Das sind die Momente seines Lebens», schwärmte der Belgier und scherzte mit Blick auf die Vertragsgespräche: «Jetzt ist er zu teuer. Ich kann ihn nicht mehr bezahlen.» Lefevere hofft, dass Kittel bei Quick-Step bleibt, allerdings buhlt auch das Katusha-Team mit dem deutschen Hauptsponsor Alpecin um ihn.
Kittel ist in der Form seines Lebens, auch wenn es diesmal viel enger als bei seinen beiden vorangegangenen Erfolgen in Lüttich und am Vortag in Troyes war. Mit bloßem Auge war der Sieger nicht auszumachen. «Ich habe mich gewundert, dass er so spät losgesprintet ist, aber er hat alles richtig gemacht. Er ist superstark», lobte sein früherer Teamkollege John Degenkolb.
Kittel setzte die Tour d’Allemagne – drei Etappensiege und einen durch Peter Sagan für das deutsche Bora-hansgrohe-Team nach sieben Renntagen – letztlich aber fort. Platz drei blieb bei tropischen Temperaturen für den Australier Michael Matthews. André Greipel, bisher dreimal Dritter, fuhr auf Rang neun und war entsprechend angefressen. «Der Sprint war nicht gut. Wir waren als Team nicht zusammen», haderte Greipel. Es gebe aber noch 14 Etappen bei der Tour.
Der Brite Chris Froome verlebte als Träger des Gelben Trikots vor den folgenden, vielleicht vorentscheidenden Etappen im Jura und den Alpen am Wochenende einen weiteren ruhigen Tag. Am Samstag wird es für den dreimaligen Toursieger und sein Sky-Team ernst, auch wenn der Anstieg in die Station des Rousses eher zum Aufwärmen dienen wird. Am Sonntag geht es mit drei Anstiegen der höchsten Kategorie richtig zur Sache. «Am Sonntag werden wir wissen, wo wir stehen», sagte Froome, dessen härteste Konkurrenten derzeit wohl der Australier Richie Porte und Fabio Aru aus Italien sind.
Auf dem Weg ins Rotwein-Paradies Nuits-Saint-Georges sorgten vor allem die Sprinterteams dafür, die vier Ausreißer Maxime Bouet, Yohanne Gene (beide Frankreich), Manuel Mori (Italien) und Dylan van Baarle (Niederlande) rechtzeitig wieder einzuholen. Gefahr für das Gelbe Trikot bestand ohnehin nicht – die Ausreißer kamen nie mehr als knapp vier Minuten weg. Sie fuhren über 200 Kilometer alleine an der Spitze.
Die Affäre um den von der Tour ausgeschlossenen Peter Sagan ist derweil noch nicht ausgestanden. «Sobald wir die Urteilsbegründung haben, werden wir mit unseren Anwälten mögliche weitere Schritte überlegen», sagte Bora-hansgrohe-Teammanager Ralph Denk am Freitag der Deutschen Presse-Agentur. Am Vortag hatte der Internationale Sportgerichtshof CAS den Eilantrag zur Wiedereingliederung des Doppel-Weltmeisters ins Rennen zurückgewiesen. Sagan wurde als vermeintlicher Verursacher des schweren Sturzes im Zielsprint der vierten Etappe disqualifiziert.
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(dpa)