Stockholm – Um kurz vor Mitternacht hielten die Spieler von Manchester United endlich alles in den Händen, was ihnen so wichtig war: den Europa-League-Pokal und eine Botschaft an ihre tief verwundete Stadt.
Die Siegerehrung nach dem 2:0 (1:0)-Endspiel-Sieg gegen Ajax Amsterdam war noch nicht lange vorbei, da nahm die komplette Mannschaft in der Kabine ein Foto auf, das sie mit einem großen roten Banner zeigte. «Manchester – a City United», stand darauf. Manchester, eine vereinte Stadt. So kurz nach einem Bombenanschlag mit 22 Toten stehen alle zusammen, ob sie nun für den einen Fußball-Club sind (City) oder den anderen (United).
Der Verein des Startrainers José Mourinho gewann in Stockholm den einzigen Europacup, der ihm noch fehlte. Und er widmete diesen Triumph sofort den Opfern des schrecklichen Terrorakts nicht einmal zwei Tage zuvor. «Wir sind nur Fußballspieler, aber wir haben ein Publikum», sagte der spanische Mittelfeldspieler Ander Herrera. «Und wir wollen jedem sagen, dass wir eine Welt sehen wollen, die zusammensteht und für Frieden und Respekt in dieser Welt kämpft. Bitte keine Anschläge mehr. Bitte keine Toten mehr.»
Herreras Statement war sicher das bewegendste von allen. Aber die Symbolfigur dieses Abends war ein anderer: Paul Pogba, der Torschütze zum 1:0 in der 18. Minute. Er steht für die tiefe Verwurzelung seines Vereins in der Stadt. Aber auch für die Wahnsinnssummen, die der Manchester United Football Club auf dem Transfermarkt bewegt.
Im Alter von 14 Jahren wechselte Pogba aus seiner Heimat Frankreich in die Nachwuchsakademie des englischen Rekordmeisters. Bei United spielen traditionell sehr viele Profis wie er oder Marcus Rashford, die in Manchester aufgewachsen sind oder ausgebildet wurden. Ihnen geht ein Anschlag mitten in dieser Stadt noch näher als jenen, die erst vor zehn Monaten dorthin gewechselt sind. «Wir haben für England gespielt, für Manchester gespielt und für die Menschen gespielt, die gestorben sind», sagte Pogba deshalb auch nach diesem Finale.
Da ihm solch entscheidende Auftritte aber nicht immer jeder zugetraut hatte, wurde der 24-Jährige zwischenzeitlich an Juventus Turin verkauft – und dann im vergangenen Sommer für 105 Millionen Euro zurückgeholt. Damit ist Pogba der teuerste Fußballer der Welt, wie überhaupt der Erfolg gegen Ajax mit sehr viel Geld erkauft wurde. Auch für den zweiten Torschützen Henrich Mchitarjan (48.) flossen rund 42 Millionen an Borussia Dortmund. Insgesamt zahlte Man United für die elf Spieler seiner Anfangsformation geschätzt 313 Millionen Euro.
Was so viel Geld bei manchen Spielern auslöst, war nach dem Spiel ebenfalls zu beobachten. Wie ein Gockel stolzierte Pogba in der Friends Arena über den Rasen und durch die Interviewzone. Schier endlos richtete er sich vor seinen Fernsehauftritten die Krawatte. «Das Wichtigste ist das Resultat», sagte er. «Wir haben den Sieg, wir haben den Pokal – und den werde ich nachher mit ins Bett nehmen.»
Pogbas Reaktion zeigt aber auch, wie wichtig dieser Sieg für United in sportlicher Hinsicht war. Einer der größten und reichsten Vereine der Welt hatte nach Platz sechs in der Liga nur noch diese eine Chance, die Champions League zu erreichen. Dass das am Ende mühelos gelang, war Mourinho noch wichtiger als der historische Erfolg, erst als fünfter Verein nach Ajax, dem FC Bayern, dem FC Chelsea und Juventus Turin alle drei Europapokal-Wettbewerbe inklusive des seit 1999 nicht mehr ausgespielten Pokalsieger-Cups gewonnen zu haben.
«Wir haben unser Ziel erreicht», sagte der Portugiese hinterher. «Wir sind zurück in der Champions League und wir haben einen wichtigen Titel gewonnen. Ich erreiche die Champions League lieber auf diesem Weg, als in der Liga Zweiter, Dritter oder Vierter zu werden.»
Mourinho hat nun in seiner Karriere vier Europapokal-Titel geholt. Dieser Triumph sei für ihn der wichtigste, meinte er. Das hat auch etwas mit den tragischen Umständen zu tun. «Die Welt dreht sich weiter. Wir mussten unseren Job machen», sagte Mourinho. «Das haben die Jungs fantastisch hingekriegt.»
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(dpa)